Wilder Eukalyptus
Nacht ein Auge zubekomme.«
»Mir geht es ähnlich, aber trotzdem sollten wir versuchen zu schlafen.« Pat blickte Gemma ins Gesicht. »Keine Angst, Schwesterherz, das kriegen wir schon hin.« Er tätschelte kurz ihre Schulter, bevor er den Salon verließ.
Wenig später saß Pat in Gemmas Gästezimmer auf dem Bett und dachte nach. Adam war schon ein ziemliches Schlitzohr gewesen. Dabei war es nicht so, dass Pat sich nicht mit ihm verstanden hätte, ganz im Gegenteil, vor allem wenn sie früher gemeinsam die Pubs unsicher machten. Allerdings war die Freundschaft eingeschlafen, als Pat nach Queensland umzog, und später bei seinen Besuchen in der Heimat hatten Kneipentouren und Partys ihre Anziehungskraft verloren. Gemma hatte dann Adam geheiratet und sich bis über beide Ohren verschuldet. Eine fatale Situation, vor allem angesichts hoher Kreditzinsen und niedriger Marktpreise für Vieh und Wolle. Bei seinen letzten Besuchen auf Hayelle und Billbinya vor gut einem Jahr war Patrick aufgefallen, dass Adam sich verändert hatte. Er konnte diese Veränderung nicht richtig einordnen, aber Adam hatte sich noch großspuriger verhalten
als sonst. Als wüsste er etwas, was sonst keiner wusste. Jess war das ebenfalls aufgefallen, wie Pat nun wieder einfiel. Aber damals hatte er ihre Bedenken nicht ernst genommen. Gemma zuliebe war Jess immer freundlich zu Adam gewesen, obwohl sie ihn nie richtig leiden konnte. Patrick fragte sich, ob er nicht schon viel früher hätte reagieren müssen.
Am nächsten Tag stand Patrick bei Tagesanbruch auf. Nach dem gemeinsamen Frühstück mit Gemma machte er sich direkt auf den Weg nach Hayelle, versprach jedoch, rechtzeitig zurück zu sein, bevor der Sonderermittler eintraf.
Kaum war ihr Bruder weg, lief Gemma vorbei am Hundezwinger zu ihrem Pick-up und setzte sich ans Steuer. Sie hatte das dringende Bedürfnis, dem Haus zu entfliehen, hinaus in das offene Weideland. Sie sah nach den Färsen und anschließend nach den Mutterschafen mit ihren Milchlämmern, die sie in der vergangenen Woche gekennzeichnet hatten, bevor sie schließlich zum Bach weiterfuhr. Dort angekommen, setzte sie sich auf einen Felsen und betrachtete still die Landschaft, während die Gedanken in ihrem Kopf sich überschlugen. Patrick und Kate, Hochzeit, Adam, gestohlene Lämmer, Sonderermittler. Ihre Gedanken ergaben keinen Sinn, und in ihrem Kopf herrschte ein riesiges Durcheinander.
»Was hat Adam getan? War er wirklich in krumme Geschäfte verwickelt?« Gemma starrte in die Landschaft, ohne etwas wahrzunehmen. Ihre Augen wurden schmal, während sie angestrengt überlegte. Hätte ihr an Adams Verhalten etwas auffallen müssen? Ihr fiel nichts ein.
Adam war der fürsorgliche, liebevolle Ehemann, der er immer gewesen war. Immer beschäftigt? Ja, wie alle Farmer. Zerstreut? Manchmal schon, ein bisschen. Vertrauenswürdig? Absolut. Adam hatte immer dafür Sorge getragen, dass noch das winzigste Lamm seinem Eigentümer zurückgegeben wurde, wenn sich mal wieder ein Tier von den Nachbarfarmen auf ihre Weiden verirrt hatte. Gemma schüttelte den Kopf. Adam hatte sich nicht anders verhalten als sonst auch. Es war unmöglich, dass er sich an illegalen Machenschaften beteiligt hatte. Dafür war er viel zu ehrlich.
Bald jedoch begannen die gute Luft und die friedliche Umgebung, auf Gemma ihren Zauber zu entfalten. Sie nahm nun den Gesang der Flötenvögel wahr und das Blöken der Schafe, die nach ihren Lämmern riefen. Sie lehnte sich dankbar zurück, schloss die Augen und genoss die Sonne auf ihrer Haut, während die Wärme sie langsam durchrieselte.
Als Gemma gegen Mittag auf den Hof zurückkehrte, traf sie zu ihrer Überraschung Bulla an, der vor den Ställen auf sie wartete.
»Hallo! Ich dachte, du wärst oben auf der Nordseite, um die Kälber hereinzutreiben, damit wir sie markieren können«, sagte Gemma.
»Da wir uns seit letzter Woche nicht mehr gesehen haben, wollte ich mal hören, was es Neues gibt. Hat die Polizei sich bei dir gemeldet?«
»Ja, gestern Abend hat mich ein Sonderermittler angerufen. Er kommt heute Nachmittag um vier, dann sage ich ihm das mit den fremden Lämmern.«
»Gaz und ich bleiben auf dem Hof, falls er Fragen an uns hat. Soll Jack auch in der Nähe bleiben?«
»Ja, das ist wahrscheinlich besser. Kann ja sein, dass die Polizei sein Alibi überprüfen will.« Gemma grinste über ihren eigenen Scherz.
»Ich geb ihm Bescheid. Kommst du gleich mal raus zum Gehege? Wir könnten
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