Wilder Eukalyptus
ich das nicht aufs Spiel setzen.«
Gegen sechzehn Uhr machten sich Ned und Ben auf den Weg nach Billbinya. Während der Fahrt sprachen sie kaum. Ned war schon den ganzen Tag schlecht gelaunt, und Ben verlor allmählich die Geduld mit ihm.
»Was ist los?«, hatte Ben ihn mehr als einmal gefragt.
»Nichts«, hatte die knappe Antwort gelautet. Ben vermutete, dass Ned sich Sorgen um Gemma machte, also bohrte er nicht weiter. »Erzählen Sie doch mal, was Sie
über die Viehdiebstähle wissen«, forderte Ben ihn auf und streckte auf seinem Sitz die Beine aus.
Zunächst blieb Ned stumm, sodass Ben bereits dachte, er würde die Frage ignorieren. Dann jedoch begann der ältere Mann zu reden: »Es fing vor ungefähr zwei Jahren an, als in der Nähe von Dawns Rest eine Schafherde verschwunden ist. Ich meine, die Tunnleys waren die ersten Opfer. Es ging damals um insgesamt eintausendfünfzig trächtige Mutterschafe, die verkauft werden sollten und die bereits alle tierärztlich untersucht worden waren. Daher waren die Tunnleys sich sicher, dass die Zahl stimmte. An dem Tag, an dem ich mit dem Käufer die Schafe begutachten wollte, erhielt ich kurz davor einen Anruf von Clem Tunnley. Er klang richtig panisch, weil ihm plötzlich Vieh fehlte. Damals habe ich mir nichts dabei gedacht. Clems Zäune sind alt und schon x-mal geflickt, weshalb ich annahm, dass die Schafe ausgebüxt waren. ›Ausgeschlossen‹, war Clems Reaktion. Also schlug ich ihm vor, er soll die Mutterschafe auf den Hof treiben, damit wir sie zählen können, sobald ich da bin. Und tatsächlich fehlten dreihundertfünfzig Tiere. Aber selbst dann kam ich nicht auf die Idee, dass sie gestohlen worden waren. Ich vermutete vielmehr, dass Clem die Herde draußen auf der Weide übersehen hatte. Clems Farmgelände ist sehr hügelig und hat einen hohen Baumbestand. Wir haben schließlich die restlichen siebenhundert Schafe an den Interessenten verkauft, und das war’s dann. Damit war die Sache erledigt. Etwas später habe ich mitbekommen, dass von einer anderen Farm eine kleine Jungochsenherde verschwunden ist. Ich glaube, es waren so um die zwanzig Tiere, wenn ich mich recht erinnere.
Und da bin ich zum ersten Mal stutzig geworden. Es kursierten damals schon viele Gerüchte. Und jeder erfand noch was dazu, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Ben nickte.
»Dann sprach sich herum, dass Sinny im Pub damit geprahlt hatte, dass er angeblich eine lukrative neue Geschäftsmethode entdeckt hatte. Sinny trank gerne Bier, und der Alkohol lockerte immer seine Zunge. Wie dem auch sei, jedenfalls hat irgendwer eins und eins zusammengezählt. Ich vermute, so hat es angefangen. Und ein paar Monate später war Adam tot, und jetzt haben wir den Salat. Ob Adam wirklich mit den Viehdieben gemeinsame Sache gemacht hat, weiß ich nicht. Eigentlich glaube ich das nicht. Adam war ein Mann, dem man vertrauen konnte. Ein anständiger Kerl. Aber jetzt ermittelt das Sonderdezernat, und ich habe ein wenig Angst, dass Gemma als Tatverdächtige ins Visier rückt. Keine Ahnung, was da alles auf uns zukommt, aber es könnte in den nächsten Wochen sehr spannend werden.«
»Es gibt also zahlreiche Indizien, aber keine echten Beweise, richtig?«, fragte Ben, als sie in die Zufahrt von Billbinya bogen.
»Richtig.«
Kurz darauf hielten sie vor den Ställen. Gemma kam gerade mit Eimern und Besen beladen aus der Scheune. Ihr Gesicht war verschmutzt, und ihr Pferdeschwanz hatte sich gelockert, aber Ben fand sie dennoch hinreißend. Er musste sich immer wieder vor Augen halten, dass diese Frau eine Kundin war und er daher erst gar nicht über sie nachdenken sollte, aber es fiel ihm verdammt schwer.
Lächelnd nickte Gemma den beiden Männern zu und
marschierte zum Haus, um die Putzutensilien wegzuräumen.
»Jess, sie sind da«, rief sie.
Ned und Ben stiegen aus dem Wagen und gingen hinüber zu den Gehegen, wo Bulla mittlerweile von Garry Gesellschaft bekommen hatte. Der erste Schwung Schafe für die Schur war bereits hereingetrieben worden, und im Gehege herrschte unruhiges Gedränge.
»Tag«, grüßte Bulla die beiden Viehhändler.
»Hallo zusammen. Wo ist Jack?«
»Immer noch malad.«
Die vier Männer lehnten sich an das Gehege, ohne ein weiteres Wort zu wechseln. Gleich darauf waren auch schon Gemma und Jess im Anmarsch.
»Hallo Männer, ich nehme an, ihr kennt alle Jess«, begann Gemma. Die Angesprochenen nickten, und Ben schenkte ihr ein strahlendes Lächeln zur Begrüßung.
»Okay,
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