Wilder Oleander
Geschäfte mehr zu machen.
Er hatte Karl Bakersfelt zu Hause angetroffen, wo er gerade Vorkehrungen für die Übernahme von drei unrechtmäßig angeeigneten Babys traf.
Mit einer Zigarre in der ausgestreckten Hand war Michael eingetreten. »Du darfst mir gratulieren. Ich bin Vater geworden.«
»Hey«, hatte Bakersfelt gesagt und die edle Havanna entgegengenommen. Dass Fallons Frau Gayane Simonian schwanger war, wusste er. Dennoch schien der Anlass für diesen Besuch mehr als nur eine Zigarre zu sein. Michael wirkte irgendwie verändert, trat auch ganz anders auf.
Dann kam es: »Gayane ist tot. Sie ist bei der Geburt meiner Tochter gestorben.«
»Tut mir entsetzlich Leid«, sagte Karl Bakersfelt, der mehr Babys gekauft hatte, als er zählen konnte, ohne je die Mütter
gekannt zu haben, ob sie nun lebten oder tot waren. Das interessierte ihn nicht.
Michaels Blick wirkte irgendwie entrückt, was Bakersfelt unter anderen Umständen stutzig gemacht hätte. Wenn einem dagegen unerwartet die Ehefrau wegstarb, war es verständlich, dass einen das mitnahm. »Sie hat geschrieen, Karl. Und überall war Blut. Der Arzt sagte, er könnte nur einen retten – meine Frau oder das Baby. Ich musste eine Entscheidung treffen. Was sollte ich machen?«
»Du hast dich für das Baby entschieden«, sagte Bakersfelt überflüssigerweise und fragte sich nach dem wahren Grund für Michaels Besuch. Er hoffte, Fallon würde zur Sache kommen, immerhin wartete da eine Reihe von Leuten auf auszuliefernde Säuglinge.
»Ich steig aus, Karl«, sagte Michael endlich. »Ein für alle Mal. Als ich das winzige Wesen in den Armen hielt, schmolz mein Herz wie Schokolade in der Augustsonne von Vegas. Auf der Stelle hab ich mir geschworen, keine krummen Dinger mehr zu machen.«
Karl grinste und griff nach seinem Feuerzeug. »Da spricht der frisch gebackene Vater aus dir. Okay, dann ruf ich dich eben nicht mehr an und such mir einen anderen Fahrer.«
»Der Haken daran ist«, meinte Fallon vorsichtig und noch immer im Zweifel ob der Fußangeln, die seinen Entschluss, sein Leben von Grund auf zu ändern, gefährdeten, »dass ich mich fragen muss, ob ich mich darauf verlassen kann, dass meine alten Freunde kein Wort mehr über das verlieren, was gewesen ist.«
Das goldene Feuerzeug in Bakersfelts Hand bewegte sich nicht. »Auf mich kannst du dich verlassen, Michael.«
»Schön und gut. Aber ich hab gelegentlich auch für Joey Franchimoni gearbeitet und ich glaub nicht, dass Joey den Mund hält, schon weil die Steuerfahndung Druck auf ihn ausübt, er
soll sein Casino verkaufen und aus der Stadt verschwinden. Joey ist einer, der quatschen könnte, schon um für ’ne Weile aus der Schusslinie zu kommen.«
»Jaaa«, nickte Karl. Joey die Nase, so genannt, weil er keine hatte, stand in dem Ruf, eine Plaudertasche zu sein.
»Deshalb hab ich ihn vor einer Stunde besucht und ihm das Salz verpasst«, sagte Fallon, was im Klartext hieß, dass er Joey Quecksilberbichloridtabletten in den Rachen gestopft hatte, ein in Verbrecherkreisen gern verwendetes metallisches Gift.
»Ich jedenfalls verpfeif niemanden«, sagte Bakersfelt. »Kannst dich drauf verlassen.«
»Gut. Wollte mich nur noch mal vergewissern. Als Vater, der ich jetzt bin, habe ich ein ehrsames Leben zu führen. Keine Verbindung mehr zur alten Gang. Kein Mord mehr, keine anrüchigen Geschäfte. Wenn mein Kind aufwächst, will ich nicht ständig daran denken müssen, dass mich meine Vergangenheit einholt. Verstehst du, was ich meine?«
Bakersfelt nickte, er wusste, was Fallon meinte. Mit einer Bewegung des Daumens betätigte er das Rädchen an seinem goldenen Feuerzeug, hielt die Flamme an seine Havanna. Die Explosion riss ihm das halbe Gesicht weg, Blut und Knochensplitter und Schwarzpulver spritzten auf seinen Schreibtisch.
»
Jetzt
kann ich mich auf dich verlassen«, sagte Fallon zu dem Toten. Dann zog er durchs Haus, bewaffnet mit einem Kanister Benzin, das er besonders sorgfältig über jene Aktenschränke mit den Unterlagen verteilte, die über den Schwarzmarkthandel mit Menschenfleisch Auskunft gaben.
Ein einziges Streichholz genügte. Das Haus ging hoch wie das marode Pulverfass, das es ja auch war. Asche stob zum Himmel, zusammen mit den Namen von jungen Müttern, Adoptiveltern, Geburtsorten, Daten, zurückgelegten Wegstrecken,
Barbeträgen. Nichts mehr kündete von Bakersfelts langjährigem Schwarzmarkthandel mit Babys und erst recht nicht von der Rolle, die Michael Fallon dabei
Weitere Kostenlose Bücher