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Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
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–, sondern der Bursche, der dem Redakteur den Revolver an den Kopf gedrückt hatte, einer von Fallons ehemaligen Kumpanen. Er trieb sich irgendwo in den Staaten herum, und Fallon beschlich der leise Verdacht, dieser Kerl könnte, wenn er von der bevorstehenden Hochzeit erfuhr, auf die Idee kommen, einen kleinen Erpressungsversuch zu starten.
    Die zweite Schwachstelle datierte aus dem Jahr ’ 72 . Ein Job in der Wüste: Rocco Guzman, bis zum Hals im Sand steckend. Zwei Geier auf einem Mesquitestrauch in nächster Nähe hatten auf der Lauer gelegen, derweil eine andere Spezies Geier – in Hosen und Mänteln und Hüten – um den unseligen Guzman herumstanden. Ansonsten weit und breit keine Menschenseele. In der Ferne und nur schemenhaft zu erkennen, erhoben sich die Wolkenkratzer von Las Vegas, der Spielplatz für Erwachsene der westlichen Welt, liebevoll Stadt des Lasters genannt.
     
    Die Männer waren allerdings nicht zum Vergnügen dort gewesen. Trotz der Golfschläger in ihren Händen.
    »Wo ist das Geld, Rocco?«, hatte Michael Fallon gefragt.
    Francesca war noch nicht geboren, er arbeitete noch für das Syndikat und dachte nicht ans Aussteigen.
    Guzman konnte kaum sprechen. Stattdessen wurde sein Gesicht immer röter, weil der Sand ihm den Brustkasten einzwängte und er kaum Luft bekam. Die Männer hatten saubere Arbeit geleistet. Dass sie ihm, ehe sie ihn eingruben, Hände und Füße mit Isolierband umwickelten, hatte die Sache leichter gemacht. Jetzt keuchte Guzman Unverständliches.
    Fallon beugte sich über ihn. »Was hast du gesagt, Rocco?«
    Rocco, ein flachnasiger Gangster, vermochte nicht zu reden. Die Geier ließen ihn nicht aus den Augen.
    Michael Fallon, der einen langen schwarzen Kaschmirmantel und einen altmodischen weichen Filzhut mit breiter Krempe trug – eine Marotte, zu der er sich bekannte –, erwartete eigentlich auch keine Antwort von seinem ehemaligen Kumpel. Das Geld, das Rocco gestohlen hatte, war längst sichergestellt worden. Der Ausflug in die Wüste diente Fallon lediglich dazu, den anderen eine Lektion zu erteilen. Wenn man für Michael Fallon arbeitete – ob es um Drogen ging, um Prostitution, um Erpressung oder Schiebergeschäfte –, tat man gut daran, untereinander ehrlich zu sein.
    Er hatte seinen Leuten ein Zeichen gegeben und sich dann abgewandt, war auf eine der schwarzen Limousinen zugestapft, die jenseits der Dünen parkten. Die Golfschläger lösten ein mehrmaliges dumpfes Krachen aus, und Rocco gelang es, ein paar Mal aufzuschreien, ehe er verstummte. Um die Leiche machte sich Fallon keine Gedanken. Um die würden sich die Geier auf dem Mesquitestrauch kümmern.
    Jetzt aber, an diesem Montagnachmittag, als er sich anschickte, unten im Casino nach dem Rechten zu sehen, bereiteten
ihm die Männer von damals Kopfschmerzen. Zwei waren auf natürliche Weise gestorben, einer war bei einer Auseinandersetzung zwischen zwei konkurrierenden Banden ums Leben gekommen. Blieben noch zwei, die auspacken konnten. Fallon hatte bereits Anweisungen gegeben, sie unschädlich zu machen.
    Die größte Scharte in seiner Rüstung war jedoch seine Mutter, die inzwischen in einem Pflegeheim in Miami lebte. Wie oft Michael sie auch gebeten, angefleht, angebrüllt oder unter Druck gesetzt hatte – sie schwieg sich weiterhin über seinen Vater aus. Verriet seinen Namen nicht. Sollte sie auf den Gedanken kommen, ausgerechnet jetzt damit herauszurücken …
    Endlich schrillte das Telefon. Der Privatanschluss. »Fallon.« Was er erfuhr, war gut. Beide Männer waren ausgeschaltet worden. Blieben nur noch zwei, die ihm bis zur Hochzeit einen Strich durch die Rechnung machen konnten.
    Seine Mutter. Und diese Abby Tyler.

Kapitel 8
    »Was du brauchst, Jack, sind Fingerabdrücke«, hatte sein Freund in der Gerichtsmedizin gesagt. »Lad die Tyler zu einem Drink ein. Geh mit ihr essen. Wenn sie abgelenkt ist, schnapp dir ihr Glas. Ohne Fingerabdrücke kommen wir nicht weiter.« Jack kehrte in sein Zimmer zurück, sah nach, ob ein Fax gekommen war, zusätzliche Informationen über Abby Tyler. Aber noch immer keine Nachricht von seinem Verbindungsmann in Hollywood.
    Er ging die mitgebrachten CDs durch, wählte eine aus, schob sie in das Abspielgerät und gleich darauf erklang Musik von Chopin.
    Er ging ins Bad und wusch sich die Hände. Als er in den Spiegel sah, starrte er missmutig den Fremden an, der nicht minder missmutig zurückstarrte. Zu beiden Seiten seines Mundes hatten sich tiefe Furchen

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