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Wildes Begehren

Wildes Begehren

Titel: Wildes Begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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ihre Muskeln sich spannten und sie einen Satz machen ließen, der sie über die halbe Entfernung zur Baumgrenze trug. Noch ein Sprung und sie befanden sich im Schutz der großen Blätter, wo sie einem schmalen Pfad folgten, den wohl Nagetiere freigelegt hatten.
    Ihre Sehweise veränderte sich auf seltsame Weise, so als nähme sie nur noch bunte Schemen wahr, und doch erschien alles ganz klar. Ihr Gesichtsfeld schien enorm weit, sie hatte den Eindruck, einen Blickwinkel von gut 280 Grad abzudecken, ohne dabei den Kopf bewegen zu müssen. Auch die Sichtweite war erstaunlich; Isabeau schätzte, dass sie geradeaus mindestens 120 Meter betrug. Sie musste nicht mehr blinzeln und nahm im Laufen nicht nur die Bewegungen im Unterholz wahr – kleine Nager und Insekten -, sondern das Flattern der Flügel über ihrem Kopf. Und obwohl es immer dunkler wurde, je tiefer sie in den Wald kamen, konnte sie alles klar erkennen.

    Alle Geräusche wirkten lauter, wie durch einen Lautsprecher verstärkt. Das eigene Atmen klang wie das Schnaufen einer Lokomotive. Der Schlag ihres Herzens dröhnte ihr in den Ohren, gleichzeitig hörte sie jedes Rascheln im Unterholz und konnte im Vorbeilaufen jedes andere Tier exakt lokalisieren. Der Schweißgeruch eines Mannes und trockener Rauch stiegen ihr in die Nase. Das Knistern der Flammen war ebenso deutlich zu hören wie die Schreie der Affen und Vögel, die vor dem Feuer flüchteten.
    Während sie eilig durch die Bäume hastete und immer tiefer ins Innere vordrang, schien ihr Herzschlag sich dem Rhythmus des Dschungels anzupassen und die rastlose Energie der anderen Lebewesen aufzusaugen. Conners Hand auf ihrem Rücken, mit der er sie immer schneller vorwärtsdrängte, war ihr nur allzu bewusst. Sie hörte eine Kugel vorbeizischen und dann den dumpfen Aufprall, mit dem sie in einen breiten Baumstamm keine zwei Meter zu ihrer Rechten einschlug.
    »Sie feuern blind«, meinte Conner. »Lauf weiter.«
    Sie hatte auch gar nicht die Absicht, nachzulassen. Statt der zu erwartenden Angst empfand sie ein absolutes Hochgefühl, beinahe Euphorie; jede Bewegung ihres Körpers war ihr bewusst, jeder Muskel arbeitete überaus geschmeidig und effizient, um sie sicher über das unebene Terrain zu tragen. Eine dicker umgestürzter Baum versperrte ihnen den Weg, doch anstatt langsamer zu werden, spürte sie, wie ihre Muskeln sich auf wunderbare Weise zum Sprung spannten und problemlos über das große Hindernis hinwegsetzten.
    Kaum witterte sie Schweiß zu ihrer Rechten, hatte Conner sie schon zu Boden gestoßen und sich schützend über
sie geworfen. Dann spürte sie seine Lippen am Ohr. »Bleib liegen. Keinen Mucks, egal, was passiert, und schau weg.«
    Isabeau nickte gehorsam, obwohl sie nicht wollte, dass er sie allein ließ; doch selbstverständlich musste er nach der drohenden Gefahr sehen. Einen herzzerreißenden Moment lang dachte sie, er hätte ihr einen Kuss auf den Hinterkopf gehaucht.
    »Es wird nicht lang dauern«, flüsterte er so nahe an ihrem Ohr, dass ihr Herz zu hämmern begann. Sie krümmte die Finger und krallte sie in den schwammigen, dicht bewachsenen Waldboden.
    »Pass auf dich auf«, zischte sie. Dann schloss sie die Augen, es kam ihr so vor, als hätte sie soeben ihren Vater verraten. Conner und allen anderen konnte sie ja vormachen, dass er auf sich aufpassen sollte, damit sie nicht allein im Regenwald zurückblieb, aber sich selbst wollte sie nicht belügen. Sie hatte ihm vorhin das Messer nicht ins Herz gebohrt, weil sie den Gedanken an eine Welt ohne ihn schrecklich fand. Und dafür hasste sie sich noch mehr.
    »Ich bin doch eine Raubkatze«, erinnerte er sie leise, und sein heiserer Unterton ließ sie erschauern, als hätte eine raue Katzenzunge über ihre Haut geleckt. »Ich bin nicht so leicht umzubringen.«
    Dann war er weg, und selbst mit ihrem geschärften Gehör fiel es Isabeau schwer, seine Bewegungen durch das dichte Blätterdickicht wahrzunehmen. Während er sich näher an seine Beute heranpirschte, hörte man ihn allenfalls leise wie einen Windhauch durch das Gebüsch gleiten, ohne dass auch nur ein Blatt raschelte. Langsam, Zentimeter um Zentimeter, wandte Isabeau den Kopf, obwohl sie nicht in Conners Richtung sehen sollte. Sie wusste tief im Innern,
dass es ihm nicht darum gegangen war, ob sie etwa Aufmerksamkeit erregen würde – wie man es mit einem starren Blick tun konnte. Sie sollte den Tod nicht mit ansehen müssen, er wollte ihr den Anblick ersparen.
    Conner sah

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