Wildes Blut
Frühe fortgeritten. Während sie nachdachte, bürstete sie sich das Haar und erinnerte sich daran, warum es so zerzaust war. Lucero hatte es in der vergangenen Nacht gelöst und sein Gesicht darin vergraben, hatte es mit beiden Händen gehalten und sie an sich gezogen.
Inzwischen sah sie ihren gemeinsamen Liebesnächten mit ungeduldiger Erwartung entgegen. Sie war froh, wenn das Abendessen vorüber war und Rosario in ihrem Bett lag.
Während der endlos langen Abende tauschte sie mit ihrem Gemahl heiße Blicke. Wenn sie sich vorstellte, dass sie ihre ehelichen Pflichten einst gefürchtet hatte! Jetzt hatte sich alles zwischen ihnen so entscheidend verändert.
Und es würde sich bald wieder ändern. Voller Unruhe erhob sie sich, legte die Bürste nieder und trat ans Fenster. Die Sonne ging gerade über den weit entfernten Gipfeln der Sierra Madre auf. Ein neuer Tag brach an.
Wenn sie die Zeichen richtig deutete, dann würde Gran Sangre im Frühling die Geburt seines Erben erleben, das Kind, wegen dem Lucero heimgekehrt war, würde das Licht der Welt erblicken. Würde er sich freuen? Dieser Mann liebte sie, und er liebte Kinder. Er betete Rosario an und wäre außer sich vor Freude, wenn sie Brüder und Schwestern bekäme.
Aber wird er noch immer bei dir liegen wollen, wenn du nicht mehr schlank und attraktiv bist? Sie rieb sich die Schläfen, um die nagende Furcht zu vertreiben. Wenigstens konnten sie auf das Fest bei den Vargas gehen, ehe ihre Taille dicker wurde.
Sollte sie es Lucero vorher mitteilen?
"Ich muss vollkommen sicher sein", sagte sie leise zu sich selbst, während sie sich ankleidete.
Aber sie wusste, dass die Anzeichen fast eindeutig waren.
Einen Monat, nachdem Lucero damals vor vier Jahren Gran Sangre verlassen hatte, hatte der alte Don Anselmo sie zu sich in sein Arbeitszimmer gerufen und sie mit peinlicher Genauigkeit über ihre körperlichen Funktionen befragt.
Dann hatte er sie entlassen, wütend, weil sie kein Kind erwartete. Gezwunge nermaßen war Mercedes im zarten Alter von siebzehn Jahren und sehr zu ihrem mädchenhaften Missfallen mit allen Symptomen der Schwangerschaft vertraut gemacht worden.
Als sie den Speisesaal betrat, hatte Lucero sein Frühstück schon fast beendet. Er hob den Kopf und lächelte ihr zu. "Du bist heute früh auf. Ich hatte dich nicht so bald erwartet." Er sah sie besorgt an, als er ihren Stuhl zurückzog. "Geht es dir nicht gut?"
"Es ist alles in Ordnung. Es ist ein so schöner Tag, ich konnte einfach nicht länger schlafen. Du bist früher als gewöhnlich aufgestanden." Sie wartete auf eine Erklärung von ihm, aber ehe es dazu kam, eilte Angelina aus der Küche herein, mit einer Kanne heißen, duftenden Kaffees und einem Teller gebratener Eier mit würziger roter Soße.
"Setzen Sie sich und essen Sie, Patrona. Sie sehen blass aus heute morgen. Etwas mehr Fleisch auf den Rippen könnte Ihnen nichts schaden - nicht wahr, Patron?" fragte sie und stellte den Teller vor Mercedes hin.
Nicholas sah sie besorgt an. "Du bist ein wenig blass, Geliebte. Bist du sicher, dass es dir gut geht?"
Der starke Duft des Kaffees vermischte sich mit dem Geruch der roten Soße, und ehe Mercedes antworten konnte, überkam sie wieder eine Woge der Übelkeit. Sie stammelte eine Entschuldigung und sprang auf. Fast wäre ihr Stuhl umgekippt, als sie zur Küchentür eilte.
Sofort ging Nicholas ihr nach. Sie lehnte über der Spülschüssel an der Tür. Er kniete neben ihr nieder und hielt ihre Schultern, als erneuter Brechreiz sie packte. Dann reichte er ihr sein Taschentuch, half ihr beim Aufstehen und brachte sie zu einem Stuhl.
"Jetzt", sagte er liebevoll und schob einen anderen schweren Küchenstuhl neben den ihren, "solltest du mir sagen, was los ist, meinst du nicht?" Er hatte durchaus eine Ahnung, aber er wagte nicht zu hoffen. Nur zu gut erinnerte er sich, wie sein Vater und Dona Sofia sie wegen ihrer möglichen Unfruchtbarkeit gequält hatten.
Mercedes sah ihm in die Augen, diese hypnotischen Wolfsaugen. Früher hatte sie sie für kalt und gefährlich gehalten. Jetzt sah sie Wärme darin, Sorge und Liebe. Sie schluckte schwer, dann sagte sie: "Ich wollte abwarten, bis ich Gewissheit hatte - es scheint, als erwarte ich ein Kind von dir, Lucero."
Wieder dieser Name. Er musste sich daran gewöhnen. Sie würde ihn niemals bei seinem wirklichen Namen nennen, das wusste er. Aber in Augenblicken wie diesen tat es weh. Er stand auf und zog sie in seine Arme. "Geliebte, ich
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