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Wildes Blut

Wildes Blut

Titel: Wildes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shril Henke
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grauen rebozo verhüllt. Sie trug einen langen Umhang, und niemand konnte sehen, dass sie ein Kind erwartete. Wenn sie vorsichtig war und im Schatten des Säulenganges blieb, würde niemand sie als die Frau des Verurteilten erkennen, die so verzweifelt um sein Leben gefleht hatte.
    Dann hörte sie die Trommeln. Aufgeregtes Stimmengewirr erfasste die Menge, als der Gefangene in den großen Hof geführt wurde. O Nicholas, mein Geliebter, meine einzige Liebe! In der Ferne sah sie seine große, schlanke Gestalt, als er seinen Platz vor der Mauer einnahm und die Augenbinde ablehnte. Er warf den Soldaten des Erschießungskommandos ein paar Münzen zu.
    Es war alte spanische Traditio n, sie zu bestechen, damit sie nicht auf das Gesicht, sondern aufs Herz zielten.
    Ohne es zu merken, schlang Mercedes die Arme um ihren Leib, als müsste auch sie sich gegen die Kugeln wappnen.
    Sie schloß die Augen und betete, während das Kommando gegeben wurde. Als die gleichzeitige Explosion von sechs Gewehren verhallte, öffnete sie sie wieder und sah ihren Geliebten im Staub liegen, während sich ein roter Fleck auf seiner Brust ausbreitete.
    Sie sank auf die Knie, kauerte sich auf die steinernen Stufen des Säulenganges, ohne auf das Durcheinander um sie herum zu achten.
    Jetzt war der Hof verlassen. Die Menge der neugierigen Zuschauer war hinausgetrieben worden, die Tore waren wieder verriegelt. Als sie ihn zur Wand führten, sah er hinab auf die Leiche seines Bruders, die im Staub lag. Die Bastarde haben ihn extra hier liegen lassen, damit ich ihn sehe. Er verfluchte Morales noch einmal, als man ihn aufforderte, sich neben den Leichnam zu stellen. Er strich sich über die Wange und sah ausdruckslos auf das Gesicht des Toten - sein Gesicht. Wäre da nicht die Narbe, könnte niemand sie unterscheiden.
    Niemand außer Mercedes. Er wehrte die Augenbinde ab. "Ein Alvarado braucht so etwas nicht", sagte er, nachdem er gezahlt hatte, um Verletzungen im Gesicht zu vermeiden. Bei seinem Bruder hatten sie Wort gehalten. Vielleicht würden sie das auch bei ihm tun.
    Oben auf dem Balkon vor seinem Arbeitszimmer, von dem aus man den Hof überblicken konnte, stand der Kommandant in Positur, bereit, das Signal zu geben. Sein Sergeant wartete auf den Schießbefehl. Gerade als Morales die Hand hob, wurde die Tür zu seinem Büro aufgerissen, und ein gringo mit sandfarbenem Haar und farblosen Augen stürzte herein.
    "Morales, Sie sollten beten, dass der Mann, der dort unten liegt, keine Narbe auf der linken Wange hat, sonst dürfen Sie ihm gemäß besonderem Befehl von Präsident Juarez umgehend Gesellschaft leisten." Bart McQueens Stimme war gefährlich ruhig, aber seine Augen schienen den Kommandanten zu durchdringen wie kalter Stahl.
    Morales erbleichte und befahl den Soldaten, die Gewehre zu senken. "Was soll das bedeuten?" fragte er. Es entging ihm nicht, dass die beiden Männer in Begleitung des Americano seine Stabsoffiziere mit dem Gewehr bedrohten.
    "Sie werden mir verzeihen, dass ich mir keine Zeit nahm für diplomatische Höflichkeiten, aber wenn ich Ihrem Sekretär die Dokumente zum Lesen gegeben hätte, wäre der Mann, zu dessen Rettung ich gekommen bin, gewiss tot gewesen." Er sah aus dem Fenster zu den beiden Gefangenen. Einer stand gelassen an der Wand, der andere lag neben ihm. "Wen ließen Sie zuerst exekutieren - Alvarado oder Fortune?"
    Der Kommandant bezweifelte keinen Augenblick, dass er in ernstlichen Schwierigkeiten war. "Sie haben es selbst entschieden. Ich weiß es nicht." Seine Stimme zitterte und klang vor Aufregung heiser. Als er begann, den Befehl zu lesen, den Benito Juarez unterschrieben hatte, zitterte seine Hand, und er brach in Schweiß aus.
    "Bringt mir den Mann, der noch lebt", befahl er krächzend den Wachen, dann sank er auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch. Seine Beine wollten ihn nicht länger tragen.

    McQueen winkte seinen Männern, die die Zeichen der Leibgarde des Präsidenten trugen, damit die Garnisonssoldaten den Befehlen ihres Kommandanten gehorchten.
    Mercedes folgte dem Wärter in den kaum beleuchteten Raum, in dem Nicholas' Leichnam in einer Hülle aus billigem Segeltuch lag. Nach ihrer Heimkehr würde sie ihn in feinem Leinen begraben lassen. Ihre Vaqueros traten an den blanken Tisch und wollten die Leiche aufheben. Plötzlich befahl sie:
    "Wartet. Ich möchte mit ihm allein sein, nur einen Augenblick."
    Die Männer verließen respektvoll den Raum. Dies war ihre letzte Gelegenheit, Abschied zu

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