Wildes Blut
sie sich zurück zum Bett und saß, fröstelnd trotz der Hitze, auf der Kante.
"Ich muss mich ankleiden", sagte sie zu sich, stemmte ihren erschöpften Leib von der Matratze hoch und legte ein leichtes Kleid heraus. Es war lavendelfarben und damit einem Trauerkleid noch am nächsten. Sobald sie wieder auf Gran Sangre war, würde sie all ihre Kleider schwarz färben, aber Nicholas würde dies nicht gefallen. Er würde wollen, dass sie das neue Leben begrüßte, das in ihr wuchs, und nicht das betrauerte, was sie verloren hatte.
"Ich werde unsere Kinder so erziehen, dass sie deiner mit Liebe und Stolz gedenken, mein Gemahl", gelobte sie, als sie sich schweren Herzens für den schrecklichsten Tag ihres Lebens bereit machte.
Nicholas und Lucero beobachteten den Sonnenaufgang durch das schmale Zellenfenster. Beide trugen einen mehrere Tage alten Bart, ihre Leiber waren ungewaschen, die Augen blutunterlaufen von der schlaflosen Nacht. Lucero hatte den Wärter bestochen, damit er ihnen eine Flasche billigen Mescal brachte, die sie abwechselnd geleert hatten.
Als der Himmel heller wurde, brachten die Wärter einen Priester herein. Fortune stellte fest, dass es nicht derselbe war, der vor Gericht gegen ihn ausgesagt hatte.
"Ich werde Ihnen die Beichte abnehmen und das Sakrament der Letzten Ölung spenden", sagte er und sah die beiden so verwirrend ähnlichen Männer mit den harten Piratengesichtern an. Er war alt, die Augen umschattet und müde, sein Gesicht von einem Netz feiner Fältchen durchzogen. Der Priester kniete nieder und öffnete eine kleine Lederschatulle, die seine Stola und das Öl enthielt.
"Ich brauche Ihre Dienste nicht, Pater", sagte Nicholas freundlich. "Ich gehöre nicht Ihrem Glauben an. Ich fürchte, Gott wird mich so nehmen müssen, wie ich bin."
Der Priester ließ seinen Blick von Fortune zu Alvarado schweifen. "Und was ist mit dir, mein Sohn?"
Lucero lachte spöttisch. "Ich fürchte, ich bin noch weiter jenseits von Gut und Böse als mein Bruder. Alle Gebete von Durango bis Vera Cruz könnten meine Seele nicht retten."
"Mit Hilfe unseres Herrn und der Heiligen Muttergottes ist alles möglich", entgegnete der Priester geduldig.
"Ich bin ein Mann, den seine Mutter verachtet hat. Sie müssen mir vergeben, wenn ich auch zu anderen Müttern wenig Vertraue n habe", erwiderte Alvarado.
"Niemand ist ohne Gottes Hilfe - außer, er möchte es so."
"Nimm seinen Segen, Lucero. Vielleicht wird es dir helfen", sagte Nicholas.
Lucero zuckte schicksalsergeben die Schultern. "Bis ich alle meine Sünden gestanden habe, wird das Pulver in den Gewehren der Soldaten seine Kraft verloren haben."
"Ich glaube nicht, dass es uns etwas nützen würde, Zeit zu gewinnen."
"Wer weiß?" erwiderte Lucero und wandte sich an den Priester, der dem Wärter bedeutete, sie zu einer anderen Zelle zu bringen.
Eine Viertelstunde später kehrte Lucero zurück. "Der gute Pater versprach, für uns beide zu beten", erklärte er Nick.
"Es hat nicht lange gedauert. Du musst ein paar Dinge weggelassen haben", bemerkte Fortune trocken.
"Ehrlich gesagt, als ich begann, war Pater Alberto klug genug zu erkennen, dass eine allgemeine Absolution notwendig war, sonst hätte der Kommandant mich noch während der Beichte vor das Erschießungskommando gezerrt."
"Der Wärter hat mir gerade gesagt, dass Kommandant Morales uns nacheinander holen wird", sagte Fortune. "Er hat Angst, dass es die Menge beunruhigen könnte, wenn sie sehen, dass es uns wirklich zweimal gibt. Sobald die erste Exekution vorüber ist, werden sie sich zerstreuen. Dann kann er sich um den zweiten Gefangenen kümmern, ohne dass Zivilisten zuschauen. Er hat nicht das Recht, dich hinzurichten, ohne das Tribunal wieder zusammenzurufen, und die Richter sind gestern abgereist zu ihrer nächsten Sitzung in Aguas Calientes."
"Aber nachdem ich einige seiner Männer tötete, als ich gestern Abend hier eindrang, wird er mich in jedem Fall erschießen. Jetzt ist die Frage, wer geht zuerst?" Ein seltsamer Glanz lag in Alvarados Augen, als er seinen Bruder ansah.
"Ich natürlich. Ich bin der Erstgeborene, auch wenn es auf der falschen Seite des Bettes war. Und ich bin derjenige, den sie verurteilt haben."
Mercedes sah vom Rande der Menge aus zu. Die Stimmung war schlecht. Viele, die unter El Diablo gelitten hatten, waren gekommen, um ihn sterben zu sehen. Nicholas hatte recht gehabt, als er um ihre Sicherheit fürchtete. Sie hatte ihr Haar bedeckt und ihr Gesicht mit einem
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