Wildes Blut
Vorschlag von Pater Salvador und der Mutter Oberin folgen und sein Gewissen beruhigen, indem er sie nach Durango schickte, mit einem Beutel voller Münzen? Das war sicher leichter, als sie zu diesem späten Zeitpunkt noch anzuerkennen.
Doch der Gedanke gefiel ihm nicht. Er wusste nur zu gut, wie es war, wenn man abgeschoben wurde und mit Menschen leben musste, die einen genauso wenig liebten wie die, die einen bereits verlassen hatten.
"Sie ist mein Fleisch und Blut. Ich kann sie nicht bei Fremden lassen", murmelte er und dachte daran, welche Auswirkungen sein Entschluss für Mercedes haben würde. Die Spannung zwischen ihnen war an diesem Nachmittag nicht zu leugnen gewesen. Vielleicht glaubte sie, dass sie allein schlafen wollte, aber er kannte die Frauen. Und er wusste verdammt gut, dass sie sich irrte. Wenn er genügend Zeit hätte, sie langsam zu verführen, dann könnte er sie von der Wahrheit überzeugen, aber diese Möglichkeit gab es für ihn nicht.
Er verfluchte den ungünstigen Zeitpunkt, schlüpfte in seine Jacke und musterte den elegant gekleideten Fremden im Spiegel.
Luceros Anzug passte ihm genau. Ein weißes Seidenhemd mit Rüschenjabot betonte sein von der Sonne gebräuntes Gesicht.
Vor allem dieses Gesicht betrachtete er genau, als sähe er es zum erstenmal.
Das Gesicht meines Vaters. Spanisch, hochmütig und hart.
Aber lag auch die Dekadenz darin, die er auf Don Anselmos Porträt gesehen hatte, das in dersoia hing? Das hoffte er nicht, allerdings war er auch nie auf das Erbteil seiner Mutter stolz gewesen. Er hatte gesehen, woher sie kam. Vielleicht gab es einen entfernten Ahnen auf der Seite der Alvarados, von dem er seinen Charakter und seine Integrität geerbt hatte.
Er steckte sich den Siegelring mit dem Saphir auf den Finger und lächelte. Hier stand er, trug die Kleider und den Schmuck eines anderen Mannes, lebte unter falschen Voraussetzungen in dessen Haus und hatte die Absicht, in dieser Nacht dessen Gemahlin zu verführen - und da wagte er es, an Integrität zu denken! Er hatte vieles getan, um die letzten Jahre zu überleben, Dinge, auf die er nicht stolz war. Vielleicht würde es ein paar Sünden von seiner Seele nehmen, wenn er Rosario rettete. Eine davon würde seine Freude an der schönen Mercedes sein.
Sie erwartete ihn im Speisesaal, gekleidet in ein bescheiden aussehendes Kleid aus Musselin in verschiedenen Schattierungen von Rosa. "Du siehst aus wie Zuckerwatte", sagte er und brachte sie dazu, sich umzudrehen und ihn anzusehen. Sie hielt ein Weinglas in beiden Händen. "Natürlich ist der Ausschnitt sehr - züchtig, aber die Art, wie sich das Mieder an dich schmiegt, gleicht diesen kleinen Mangel beinahe wieder aus. Da ich ohnehin bald sehen werde, was unter diesen vielen Stoffschichten liegt, spielt es im Grunde auch keine Rolle, oder?"
"Es gefällt dir, mich mit deinen rauen Scherzen zu quälen, nicht wahr, Lucero?" Der Klang ihrer Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass es nur eine rhetorische Frage war. "Früher begann ich zu zittern, errötete und stotterte, wenn du solche Bemerkungen machtest."
Er trat näher. "Oh, ich kann dich noch immer zum Erröten bringen, bis du so rosig aussiehst wie dein süßes mädchenhaftes Kleid. Hast du es ausgesucht, um mir das Gefühl zu geben, dass ich mich wieder der kleinen Jungfrau nähere, die mich vor vier Jahren so langweilte?" Rhetorische Fragen kann ich auch stellen, sagte ihr sein kleines Lächeln. "Wie du mir schon so unmissverständlich gezeigt hast, bist du nicht mehr die zarte, bebende Senorita." Er ließ den Blick zu dem Glas in ihrer Hand wandern. "Trinkst du dir Mut an? Das hat die Patrona vo n Gran Sangre doch gewiss nicht nötig." Er nahm das schwere Kristallglas und hob es an die Lippen, nachdem er es so gedreht hatte, dass er von genau der Stelle trank, die sie mit ihren Lippen berührt hatte. "Du bist nicht mehr so zart, aber ich verspreche, dass ich dich erbeben lassen werde - vor Lust."
Bei dem leisen, schmeichelnden Klang seiner Stimme durchzuckte ein heißer Schmerz ihren Körper wie ein Blitzschlag. Lucero stand jetzt neben ihr, und sie fühlte seinen warmen Atem an ihrer Wange, als er sich niederbeugte und mit seinem Mund ihren Hals berührte. Heilige Muttergottes! Sie hatte geglaubt, seine Worte hätten sie erschreckt. Was aber taten diese schönen Lippen, die auf ihrer Haut wie Feuer brannten?
"Lucero ..." stieß sie hervor.
"Zur Hölle mit dem Dinner. Wir essen später. Das, was ich vorhabe, wird
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