Wildes Blut
Sie stieg schnell auf ihren Speicher hinauf, damit Poke und Großvater die plötzlichen Tränen in ihren Augen nicht sehen konnten.
15. KAPITEL
Ein paar Tage später kam Gus bei Sonnenuntergang wieder zu Besuch und brachte den neuen Stuhl für Rachel mit, den er ihr als Ersatz für den von ihm und Slade unabsichtlich zerbrochenen gezimmert hatte. Slade Maverick wusch sich gerade am Brunnen, als der Schwede mit seinem Mulikarren einfuhr. Den neuen Stuhl hatte er vorsichtig festgebunden und mit einer Decke geschützt.
»Hallo, Maverick«, begrüßte er Slade ziemlich lustlos.
»Ox.« Slade nickte und trocknete sich mit einem Mehlsackhandtuch ab, das er dann lässig über die nackte Schulter warf. Er musterte neugierig die Decke auf dem Wagen des Schweden.
Gus seufzte und wünschte, Slade würde nicht dauernd in Rachels Haus herumlungern. Irgendwie war sie seit der Ankunft des Revolvermanns anders – gar nicht sie selbst, verwirrt und abwesend irgendwie, dauernd wurde sie rot und beachtete Gus kaum. Sie war sogar noch schneller als sonst wegen der geringsten Kleinigkeit beleidigt. Gus hätte nicht im Traum daran gedacht, sie zu beleidigen, obwohl er das getan hatte, als er ihren Stuhl zerbrochen hatte – was ohne diesen Burschen nie passiert wäre. Wirklich, es war alles Slades Schuld! dachte der Schwede wütend. Wenn er nicht an dem Stuhl gezerrt hätte, mit diesem unverschämten Grinsen, dann hätte Gus ihn nicht so festgehalten, und es wäre nie passiert. Der Kerl mischte sich in alles ein und versuchte ständig, ihn zum Narren zu machen vor Rachel – was ihm auch meistens gelang.
Warum beeilt er sich nicht mit diesem verdammten Beecham-Blockhaus? fragte sich Gus mißtrauisch. Dauert ganz schön lange. Ich wär’ schon vor Tagen damit fertiggeworden. Ich glaube, der läßt sich Zeit, damit er hier bei Rachel bleiben und mich ausstechen kann. Er will ihr sein Brandzeichen aufdrücken. Aber ich bin kein dummer Stier, ich laß mich nicht ausstechen. Ich glaube, wenn er noch mehr Ärger macht, werd’ ich ihm eine Lektion in guten Manieren verpassen, dann werden wir sehen.
Mit diesen Gedanken stellte Gus die Wagenbremse fest und sprang vom Kutschbock. Er ignorierte Slade, ging hinten an den Wagen und öffnete die Klappe. Dann zog er die Decke vom Stuhl und begann, die Schnüre aufzubinden, mit denen der Stuhl am Wagen befestigt war.
»Was hast du denn da, Ox?« fragte Slade und schlenderte zum Wagen, um seine Neugier zu befriedigen.
»Neuer Stuhl, den ich für Rachel gemacht hab’«, erwiderte Gus knapp und ohne hochzuschauen.
»Bißchen schlicht, oder?« fragte Slade, während er den Holzstuhl musterte, der wie die meisten skandinavischen Möbel rein funktionell war, ohne jede Verzierung. »Schlichtweg häßlich.«
Das Geschenk des Schweden für Rachel ärgerte Slade maßlos. Etwas, wofür der Schwede offensichtlich sehr viel Zeit und Mühe geopfert hatte, würde in Rachels Augen sicher Gefallen finden und sie zudem daran erinnern, daß es hauptsächlich Slades Schuld war, daß ihr alter Stuhl nur noch ein Hocker war. Am liebsten hätte er das Ding in tausend Stücke zertrümmert, ehe Rachel es zu Gesicht bekam.
»Ich hab’ ihn aus Eiche gemacht«, erklärte Gus. Er wollte sich nicht provozieren lassen. »Der Stuhl ist einfach, das stimmt, aber stabil.«
»Genau wie ihr Schweden, was?« sagte Slade boshaft grinsend.
»Ich bin nicht so dumm, wie du denkst«, sagte der Schwede, der allmählich trotz seines Entschlusses, sich von Slade nicht reizen zu lassen, wütend wurde.
»Ach, wirklich nicht?« stichelte Slade. »Warum treibst du dich dann immer noch hier herum, wo dich doch keiner haben will?«
»Das hat Rachel zu entscheiden, nicht du, ja? Und ich glaube, sie wird mich wählen, nicht dich. Ein Scharfschütze ist nicht gut für sie, du willst keine ehrbare Frau aus ihr machen, wie ich das will, und das weiß sie, wenigstens im Kopf, wenn auch nicht im Herzen. Ich glaube, am Ende wirst du es sein, der hier nicht willkommen ist.«
»Du holzköpfiger Hundesohn!« fluchte Slade. »Was macht dich denn so sicher, daß ich nicht willens bin, sie zu heiraten?«
»Willst du es denn?«
»Vielleicht.« Dann fuhr er spöttisch fort: »Ich denke, das wirft dir etwas Sand ins Getriebe, was, Ox?«
»Ich werd’ dir Sand im Getriebe zeigen!« knurrte Gus außer sich vor Wut und Angst, daß er Rachel tatsächlich an diesen arroganten Mann verlieren könnte. Er krempelte die Ärmel hoch und ging drohend auf
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