Wildes Blut
lächelte. »Ich glaube, so ist es am besten, Gus«, sagte er und schlug dem Schweden auf die Schulter. »Und wer weiß, vielleicht ist deine Livie nicht die Sorte Frau, die darauf besteht, fünfhundert Stück Vieh zu kriegen, bevor sie einen Mann heiratet!«
»Ich glaub’ es nicht«, rief Gus, »daß Rachel mich nur deshalb nicht heiraten will, weil ich keine fünfhundert Kühe auf der Weide habe!«
»Nein«, erwiderte Slade grinsend. »Aber ich bin mir ziemlich sicher, daß es der Grund ist, warum sie mich nicht heiraten will, auch wenn ich sie auf Knien darum bitte!«
»Und wirst du sie darum bitten?« fragte der Schwede mißtrauisch. Er wollte sichergehen, daß die Absichten des Revolvermann Rachel gegenüber wirklich ehrenhaft waren.
»Alles zu seiner Zeit, Gus«, erwiderte Slade. »Alles zu seiner Zeit. Ich muß erst ein paar Dinge in Ordnung bringen und dann, das verspreche ich, wirst du mein Trauzeuge.«
»Ich nehm’ dich beim Wort, Slade Maverick«, erwiderte Gus grinsend, aber man hörte, daß er es ehrlich meinte. »Rachel ist eine gute Frau. Sie hat einen guten Mann verdient. Sei ihr ein guter Mann, oder ich schlag’ dir vielleicht beim nächsten Mal den Schädel wirklich ein, hast du verstanden?«
»Nein danke. Einmal hat mir gereicht, das kannst du mir glauben«, sagte Slade und rieb sich die Beule an seinem Kopf. »Ich werde sie gut behandeln, Gus, das schwör’ ich dir. Und wenn nicht, na, du weißt ja, wo du mich findest.«
»Ja, und vergiß das bloß nicht!«
»Nach dem Schlag, den du mir verpaßt hast, werd’ ich das nicht so schnell vergessen. Tu mir einen Gefallen, Gus«, sagte Slade grinsend, als er sich noch einmal im Sattel umdrehte, »Schenk uns keine Stühle zur Hochzeit!« Ehe der Schwede etwas sagen konnte, galoppierte der Revolvermann davon und rief noch kurz über die Schulter: »Viel Glück mit deiner Livie!«, bevor er am Horizont verschwand.
Der Besuch bei Gus hatte Slade daran erinnert, daß Rachel immer noch keinen anständigen Stuhl hatte. Also ritt er zurück nach Wichita, kaufte die vielen Vorräte für das Haus der Beechams ein und gab dann einen Teil seines restlichen Geldes für den Kauf eines neuen Stuhles für sie aus. Er arrangierte die Lieferung zur Farm für den späten Nachmittag. Dann ging er zur Kanzlei der Anwälte Atwood und Little, die er nach gut einer Stunde mit zwei Dokumenten wieder verließ. Danach ritt Slade zielstrebig nach Delano, um Jonathan zu suchen.
Der Rotlichtbezirk war noch dreckiger als die eigentliche Stadt, die trotz ihres Wachstums und ihrer Fortschrittlichkeit weder sauber noch gepflegt war, als wäre sie so schnell gewachsen, daß ihre Gründungsväter nicht Schritt halten konnten. Sowohl in Delano als auch in Wichita waren die Straßen in katastrophalem Zustand, ein breiter Irrgarten von gefährlichen Rillen und Schlaglöchern, der, wenn es regnete, zum Schlammsee wurde. Riesige Müllberge türmten sich auf den Gehsteigen und wurden bei jedem stärkeren Windstoß mit Staubwolken in Läden und Häuser geblasen. Die Gehsteige selbst waren aufgrund fehlender Vorschriften aus Planken der verschiedensten Holzsorten und voller Splitter, Astlöcher und Nägel, und manchmal fehlten sogar ganze Bretter. Entlang der Gehsteige und vorgesetzten Ladenfassaden hingen so viele verschiedene Schilder, daß sie nicht nur eine Qual fürs Auge waren, sondern auch eine echte Gefahr für die Unaufmerksamen, die beim Gehen dagegenprallten. Die Hunde der Stadt waren eine solche Plage, daß man drei bis fünf Dollar zahlen mußte, wenn man einen Hund hielt, und die Polizei jagte genauso viele streunende Hunde wie Kriminelle. Entlang der Ufer des kleinen Flußes waren so viele Rinderkoppeln und Schweinekoben errichtet worden, daß die Wasserversorgung der Stadt völlig verseucht war (deshalb nannten die Treiber es oft »Büffeltee«) und gelegentlich trieb sogar totes Stück Vieh auf den flachen Wellen des Flusses.
Aber genau wie bei den Schulsteuern fürchteten die sparsamen Geschäftsleute von Wichita, daß sie mit hohen Steuern für die Stadtreinigung Investoren vertreiben würden, und deshalb unternahmen sie gegen den Dreck genausowenig wie gegen das Laster und die Korruption in ihrer Stadt.
Nach Sonnenuntergang öffneten die Saloons, die Spielhöllen und Tanzsäle zu beiden Seiten des Big und des Little Arkansas ihre Tore, und dann regierten Sauferei, Glücksspiel, Prostitution und Gewalt die Stadt. Es gab mehr als fünfzehn Saloons innerhalb der
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