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Wildes Herz

Wildes Herz

Titel: Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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Taverne geschehen war.
    Der Kutscher war als Erster zur Stelle. Sein Gesicht war so finster wie die Nacht, als er hastig hervorstieß: »Hat sie was aus der Kutsche gestohlen?«
    Der Metzger nickte mit grimmiger Miene. »Und ob sie das getan hat! Den Spazierstock Eures jungen Herrn. Ich habe es genau gesehen. Sie hat ihn unter ihren Lumpen da versteckt.«
    Grob zerrte der Kutscher Éannas Mantel auf. »Donnerschlag, Ihr habt recht! Das ist der Spazierstock von Mr Patrick O’Brien!«
    »Sie war geschickt, dieses Biest, aber nicht geschickt genug für meine scharfen Augen«, prahlte der Metzger. »Ich habe sofort gesehen, dass sie was im Schilde führt.«
    »Dafür wirst du büßen!«, zischte der Kutscher und riss Éanna den Spazierstock aus der Hand. »Warte du nur, bis die Polizei kommt. Hoffentlich schicken sie dich mit all dem anderen Abschaum nach Australien in die Verbannung!«
    »Wenn es nach mir ginge, gäbe es nur eine Strafe für solche Verbrecher«, mischte sich der Metzger wieder ein. »Und das ist der Galgen!«
    »Gut gesprochen!«, rief eine andere Stimme aus der Menge. »Dieses Gesindel! Nichts als Ärger machen sie. Nirgends ist man vor dem dreckigen Lumpenvolk sicher.«
    »Holt den Konstabler! Dort oben am Markt ist er, bei Jamiesons Tabakladen.«
    Éanna stand wie gelähmt vor Schreck und Angst. Auf frischer Tat beim Diebstahl ertappt! Wenn es nur ein Laib Brot gewesen wäre, hätte ihr nicht mehr als eine Tracht Prügel gedroht, im schlimmsten Fall einige Monate Gefängnis. Aber sie hatte etwas gestohlen, was bestimmt mehrere Pfund wert war.
    Ihr traten die Tränen in die Augen, als sie an ihre Mutter dachte. Sie war noch nicht einmal einen Tag unter der Erde und schon war ihre Tochter, Éanna Sullivan, zur gewöhnlichen Diebin geworden. Catherine hätte diesen Gedanken niemals ertragen.
    Éanna wünschte, der Boden würde sich unter ihr öffnen und sie verschlingen. Alles war besser, als so am Pranger zu stehen und den verachtenden Blicken der Menge ausgesetzt zu sein.
    Ein rotgesichtiger Mann in Uniform bahnte sich seinen Weg durch den Menschenauflauf.
    »Ruhe jetzt!«, donnerte er über das allgemeine Stimmengewirr hinweg, als er vor Éanna zu stehen kam. »Was ist hier passiert? Und zwar alles der Reihe nach. Ihr zuerst, Clarke.« Er deutete mit seinem Prügel auf den Metzger.
    Doch bevor dieser mit stolzgeschwellter Brust berichten konnte, was er gesehen und vereitelt hatte, tauchte der junge Herr des Kutschers zwischen den Schaulustigen auf und schob sich nach vorn durch. Seine Zeitung hatte er noch immer unter dem Arm.
    »Was hat denn das Geschrei zu bedeuten, Donnelley? Was ist hier vorgefallen?«, herrschte er den Kutscher an.
    »Dieses Mädchen hat versucht, Euren Spazierstock zu stehlen. Ihr müsst ihn wohl vergessen haben, Mr O’Brien«, beeilte sich der Kutscher zu antworten. »Dieser Mann hier, der Metzger Clarke, wie er wohl heißt, hat alles gesehen und die kleine Diebin festgehalten. Sonst wäre sie schon über alle Berge!«
    Der junge, elegant gekleidete Herr schaute mit einem verwunderten Stirnrunzeln erst auf seinen Spazierstock, den der Kutscher wie eine Trophäe in die Luft hielt, und dann auf Éanna.
    »Ich werde das aufnehmen und dafür sorgen, dass sie sofort hinter Schloss und Riegel kommt«, sagte der Konstabler hastig. Ihm schien die Einmischung des feinen Herrn, der vom Alter her gut sein Sohn hätte sein können, nicht recht zu passen.
    »Entschuldigt, aber das dürfte der Sache ganz und gar nicht gerecht werden, Konstabler«, erwiderte Patrick O’Brien. »Es handelt sich nämlich um einen bedauernswerten Irrtum. Dieses Mädchen hat sich keineswegs eines Diebstahls schuldig gemacht.«
    »Irrtum? Was für ein Irrtum soll denn das sein?«, grollte der Metzger. »Natürlich hat sie Euren Stock stehlen wollen! Ich habe es doch mit meinen eigenen Augen …«
    Patrick O’Brien fiel ihm scharf ins Wort. »Was Ihr gesehen haben wollt, kümmert mich nicht. Es ist jedenfalls nicht das, was Ihr zu sehen geglaubt habt.«
    Dem Mann fiel der Unterkiefer herab.
    »Nun mal langsam, Mr O’Brien! Hier ist doch ein ehrbarer Bürger offensichtlich Zeuge …«, setzte der Konstabler verdutzt an.
    Aber auch ihm schnitt Patrick O’Brien das Wort ab. »Zeuge wofür? Ich selbst habe dieses Mädchen damit beauftragt, mir den Spazierstock, den ich vergessen hatte, in die Taverne zu bringen. Damit dürfte die Sache wohl hinlänglich geklärt sein. Also geht eurer Wege, Leute! Es gibt hier

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