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Wildes Herz

Wildes Herz

Titel: Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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nichts mehr zu gaffen.«
    »So ist es nicht gewesen! Ganz und gar nicht«, protestierte der Fleischer. Er war rot angelaufen. »Ich habe alles genau gesehen! Sie hat sich mit dem Stock davonmachen wollen.«
    Patrick O’Brien trat ganz nahe vor ihn, und seine Stimme hatte einen fast freundlichen Klang, als er ihm beiläufig antwortete: »Wenn ich sage, dass hier kein Diebstahl vorliegt, Fleischer, dann werdet Ihr doch wohl nicht die Dreistigkeit besitzen, mich der Lüge bezichtigen zu wollen, oder? In diesem Fall werdet Ihr es sein, der sich schneller vor einem Richter wegen Beleidigung zu verantworten hat, als Ihr Eure Hammelhälften mit dem Hackbeil zerlegen könnt. Aber sagt nur, wenn Ihr es darauf ankommen lassen wollt.«
    Die Gesichtsfarbe des Fleischers wechselte von Wutrot zu Kalkweiß, und sein Mund stand vor Verblüffung halb offen.
    Jemand aus der Menge rief spöttisch: »Am besten machst du dich jetzt gleich auf den Weg zum Brillenmacher, Clarke. Sag ihm, dass du dicke Gläser brauchst!«
    Die Menge quittierte den Zuruf mit schallendem Gelächter.
    Der Konstabler schüttelte den Kopf und warf dem Metzger einen ärgerlichen Blick zu. »Also wirklich, Clarke! Warum beharrt Ihr auch auf Eurem Unsinn? Wenn der Herr sagt, dass es so gewesen ist, dann ist es so gewesen. Was für ein Affentheater!« Mit einem erneuten Kopfschütteln wandte er sich um und machte sich daran, die Schaulustigen auseinanderzutreiben.
    Éanna hatte die ganze Zeit stocksteif zwischen den Streitenden gestanden und nicht gewagt aufzusehen. Noch immer wollte sie ihren Ohren nicht trauen. Was für eine unfassbare Wendung hatte das Ganze für sie genommen! Eben noch waren ihr viele Jahre Gefängnis gewiss gewesen – und nun drohten ihr nicht einmal ein paar schmerzhafte Ohrfeigen oder Stockhiebe? Mit wenigen Sätzen, die so dreist gelogen waren, wie dreist man überhaupt lügen konnte, hatte dieser Fremde sie vor einem entsetzlichen Schicksal bewahrt.
    In dem Moment sprach ihr Retter sie direkt an. »Komm mit«, befahl er knapp, nahm seinem sichtlich perplexen Kutscher den Spazierstock aus der Hand und ging zurück in die Taverne. Er blickte sich nicht einmal um, ob sie ihm auch wirklich folgte. Patrick O’Brien schien sich in allem, was er tat, sehr sicher zu sein.
    Éanna folgte ihm willenlos wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wurde.

Achtes Kapitel
    Beklommen trat Éanna durch die Tür in die Taverne. Die schweren Balken der niedrigen Decke in der Schankstube wie auch die kantigen Stützpfosten waren schwarz gestrichen. Die Farbe sollte wohl auch im Innern des Hauses einen Hinweis darauf geben, dass man sich hier im Schwarzen Ochsen befand. Die Bohlen dazwischen kamen ohne einen solchen Anstrich aus. Ruß und Tabakwolken hatten sie dunkel gefärbt. Ein gutes Dutzend Tische mit bequemen Stühlen verteilte sich im Raum. Vier davon waren belegt. Ausschließlich Männer saßen dort und ließen sich das Essen schmecken. Nachgespült wurde mit Dunkelbier oder Wein aus bauchigen Steinkrügen, die auf keinem Tisch fehlten.
    Die Männer hoben nur beiläufig die Köpfe, als Patrick O’Brien zu ihnen in den Schankraum zurückkehrte. Dann jedoch fiel ihr Blick auf Éanna, die ihm mit zwei Schritten Abstand folgte. Und augenblicklich verwandelte sich auf ihren Gesichtern der Ausdruck von flüchtigem Interesse in Missbilligung und Verärgerung. Die Unterhaltung erstarb.
    »Das ist ja wohl der Gipfel der Unverfrorenheit!«, entrüstete sich einer der Gäste und warf dem Wirt einen scharfen Blick zu.
    Der Wirt eilte sofort hinter dem Ausschank hervor und schnitt Éanna den Weg ab. »Mach sofort, dass du hinauskommst!«, zischte er. »An meinen Tischen wird nicht gebettelt!«
    Patrick O’Brien wandte sich zu ihm um. »Sie ist nicht zum Betteln hier. Ich zahle für sie«, sagte er von oben herab.
    Verblüffung trat auf das gerötete Gesicht des Tavernenwirts. »Aber das geht nicht, mein Herr«, wandte er ein. »Ich führe ein ehrbares Haus!«
    Patrick O’Brien bedachte ihn mit einem abschätzigen Blick. »Was? Verteilt Ihr Almosen, oder lasst Ihr Euch bezahlen, wenn man hier trinkt und speist?«, fragte er bissig.
    »Schon, aber …«
    »Dann ist ja alles in bester Ordnung«, fiel ihm Patrick O’Brien spöttisch ins Wort. »Denn wie ich gerade schon sagte, bezahle ich für sie. Oder wollt Ihr mir vielleicht auch die Tür weisen und vorschreiben, wer an meinem Tisch zu Gast sitzt?«
    »Natürlich nicht, mein Herr«, murmelte der Wirt und sah

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