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Wildes Herz

Wildes Herz

Titel: Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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lange allein lassen dürfen. Aber bis in die Stadt waren es fast zwei Stunden, und leider hat es dann auch noch einige Zeit gedauert, bis ich mich in Donard umgesehen und alles Nötige organisiert hatte.«
    Éanna wusste, was er damit meinte. »Ich wünschte, du hättest nicht stehlen und dich meinetwegen in Gefahr bringen müssen. Wenn dir etwas passiert wäre . . .« Éanna führte den Satz nicht zu Ende.
    »Was heißt schon stehlen?«, fragte er ernst. »Wenn man stehlen muss, um am Leben zu bleiben, dann ist das für mich nichts, dessen ich mich schämen müsste.«
    Sie nickte stumm.
    »Zudem habe ich niemanden erleichtert, der den kleinen Aderlass an Essen und ein wenig Hab und Gut nicht gut verschmerzen könnte«, sagte er. Erleichtert sah sie, wie sich das wohlvertraute Grinsen auf sein Gesicht stahl. »Das gilt für das Brot und den Topf mit dem gekochten Suppenhuhn genauso wie für die beiden Pferdedecken und diesen alten Leiterwagen da!« Stolz deutete er hinter sich in die andere Ecke des Unterstands.
    Éanna stützte sich auf. Erst jetzt bemerkte sie den plumpen Handkarren mit den hohen Rädern und den leicht nach außen geneigten Holzgittern als Seitenborde, den Brendan aus Donard mitgebracht hatte.
    Zitternd ließ sie sich auf ihr Lager zurücksinken. »Warum hast du das nur getan?«, murmelte sie entsetzt. Das Brot und dazu auch noch ein ganzes Huhn zu stehlen, war schon riskant genug gewesen. Wenn man ihn dabei erwischt hätte, wäre ihm das Gefängnis gewiss gewesen. Doch für den Diebstahl solch eines Leiterwagens konnte ein unbarmherziger Richter eine ganz andere Strafe verhängen, nämlich den Tod durch den Strang am Galgen!
    »Psst, Éanna!« Brendan legte eine Hand auf die Lippen. »Du musst dich ausruhen. Jetzt hole ich dir erst mal die Stalldecken und wickele dich gut darin ein. Und dann wärme ich dir das Suppenhuhn über dem Feuer auf! Du musst dringend etwas in den Magen bekommen!«
    Éanna hatte seit zwei Tagen kaum etwas zu sich genommen, und normalerweise hätte sie alles für ein bisschen zartes Hühnerfleisch gegeben. Doch an diesem frühen Nachmittag brachte sie freiwillig nur wenige Bissen davon hinunter.
    »Das reicht nicht! Von den paar Happen kommst du nicht wieder auf die Beine, Éanna! Du musst mehr davon essen!«, beschwor Brendan sie und schob ihr noch einen Löffel voll in den Mund. Sie hatte nicht die Kraft gehabt, allein zu sitzen, und so hatte er sie in seinen Schoß gezogen. Nun hielt er ihren Oberkörper mit seinem linken Arm halb aufrecht, damit sie sich beim Essen und Trinken der Hühnerbrühe nicht verschluckte. »Bitte sei vernünftig, und iss!«
    Ihm zuliebe versuchte Éanna es noch einmal, und tatsächlich brachte sie noch ein bisschen von dem Huhn herunter. Doch dann hob sie die Hand.
    »Sei mir nicht böse, aber ich kann nicht mehr«, keuchte sie erschöpft und sank mit dem Kopf gegen seine Brust. Sie fühlte sich völlig zerschlagen. Alle Knochen schmerzten ihr im Leib, und das Fieber bescherte ihr abwechselnd Schüttelfrost und Hitzeschübe. »Ich möchte nichts als schlafen.«
    Er gab einen sorgenvollen Stoßseufzer von sich. »Das habe ich befürchtet«, sagte er bedrückt und strich dabei über ihr fieberheißes Gesicht. »Deshalb habe ich ja auch den Leiterwagen gestohlen.«
    »Was?«, murmelte sie verständnislos.
    »Mit deinem Fieber kannst du keinen Tag länger hier im Freien bleiben, sonst bedeutet das deinen Tod. Du brauchst ein richtiges Bett und ein Dach über dem Kopf. Und ich habe einfach nicht die Kraft, dich auf meinem Rücken den ganzen Weg hinunter in die Stadt und nach Clifton House zu tragen.«
    Eine dunkle, unheilvolle Ahnung regte sich in Éanna, als sie aus seinem Mund den Namen Clifton House hörte. Er war ihr noch nie zuvor zu Ohren gekommen, flößte ihr aber Angst ein.
    »Was . . . was ist das für ein Haus, in das du mich bringen willst?«, stieß sie beklommen hervor. »Und sag nicht, dass es eines dieser fürchterlichen Arbeitshäuser ist!«
    Brendan atmete tief und vernehmlich durch. Und ihm war deutlich anzuhören, wie schwer es ihm fiel, die gefürchteten Worte auszusprechen. »Doch, es ist solch ein Arbeitshaus für Arme. Ich weiß, was das bedeutet, aber uns bleibt keine andere Wahl, Éanna. Alles andere wäre der sichere Tod für dich!«
    »Nein!«, schrie sie entsetzt auf. Ihre Hand krallte sich in seinen Umhang. Zitternd zog sie sich an ihm hoch und sah ihn beschwörend mit fiebrigen, schreckgeweiteten Augen an. »Nein, tu

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