Wildes Herz
erstarrten Lavafluss umgangen, der ungefähr einen halben Kilometer von hier eine schwarze Mauer bildet. Um vorbeizukommen, muss man sich mehrere Kilometer vom Hochland entfernen, bis das Gestein im Boden versinkt. Oder man klettert die Ostflanke zur Hälfte hoch und umrandet dort den Ursprung der Felszunge. Zebra wählt meist den Umweg. Anschließend geht sie über die südliche Route, um nach oben zu gelangen. Die ist leicht.“
Für mehrere Minuten herrschte Schweigen. Ty ließ seinen Blick über das Land schweifen, das sich ihm nun aus einer anderen Perspektive darbot, und verglich seine Kenntnisse mit Jannas Beschreibung.
„Die Felszunge, die Mauer aus erstarrter Lava, beginnt sie dort?“ Er wies auf eine Stelle, die aussah, als würde ein schwarzer Strom aus flüssigem Gestein aus dem Black Plateau treten.
Janna beugte sich vor, um zu sehen, wohin er zeigte. Dabei nutzte sie die Gelegenheit und streifte seinen ausgestreckten Arm.
„Ja.“
Ty brummte. „Ich verstehe, warum Zebra ihn umgeht. Eine Menge kantiger Felsen, sonst nur Ödnis.“
Er blickte weiterhin in die Richtung und wartete, dass Janna die qualvolle Berührung beendete. Sie tat es nicht. Schließlich rückte er leicht von ihr ab, der Nähe selbst ein Ende machend. Sein Blut kochte noch immer. Solange diese zierliche Person mit den allzu weiblichen Reizen um ihn war, könnte dieser Zustand chronisch werden, befürchtete er.
„Wie tief sind diese Täler?“ fragte er und deutete auf die vielen gezackten Schatten, die am Fuß des Hochplateaus in die Steppe reichten.
Für einige Momente überlegte Janna, ob sie Ty näher rücken sollte, damit ihre Körper sich wieder berührten, aber sie entschied sich dagegen. Das nächste Mal würde sie besser planen. Er sollte ihr nicht ausweichen können.
„Die Canyons sind tief genug, und Wildpferde halten sich oft dort auf“, sagte sie. „Die Landschaft ist reich an Felsspalten, ausgetrockneten Flussbetten und langen Tälern. Die meisten dieser Canyons haben kein eigenes Wasser, aber am Fuß der Felsentürme und Tafelberge gibt es immer wieder Sickerlöcher und Mulden, die fast das ganze Jahr über gefüllt sind. Auf dem Black Plateau und auch an den
Rändern sind die Verhältnisse anders. Das Massiv ist so mächtig, dass Quellen und Sickerlöcher zu allen Jahreszeiten reichlich Wasser führen. Deshalb gibt es dort so viel Gras und Wild.“
Ohne ein Wort zu sagen, strich er die dünne Erdkrume glatt und benutzte seine Fingerspitze, um Linien einzuzeichnen. Die Hochfläche war Lucifers beliebtester Aufenthaltsort. Das wusste Ty. Er hatte die Gegend wochenlang erkundet, bis schließlich ein Plan in ihm gereift war, wie er den wilden Hengst am besten fangen konnte. Bevor es ihm gelungen war, sein Vorhaben zu verwirklichen, hatten ihn dummerweise die Indianer gefangen genommen.
„Das ist das Black Plateau“, sagte er und wies auf das grob gezeichnete Rechteck am Boden. Er fügte weitere Striche für Steilwände und Einschnitte hinzu. Nur die Westseite ließ er frei, um anzudeuten, dass die Hochfläche hier verhältnismäßig flach war und in die zerklüfteten Vorläufer der Fire Mountains überging. „Nach allem, was ich gesehen habe, werden die Klüfte, Schluchten und Ablaufrinnen immer schroffer und tiefer, je näher man von Osten dem Black Plateau kommt.“ Janna veränderte ihre Haltung und streifte sein Bein. Um einen Blick auf die Skizze zu werfen, beugte sie sich vor und stützte sich dabei auf seinen Schenkel. Ty, der noch immer Linien in den Boden zeichnete, hob erschrocken die Hand. Er murmelte etwas Unverständliches und rückte von Janna ab, bis ihre Hand nicht mehr auf seinem Schenkel lag.
„Das stimmt“, sagte sie. „An der Ostseite steigt das Plateau sehr steil aus dem zerklüfteten Vorland auf.“ Wieder beugte sie sich vor und legte stützend die Hand auf sein Bein, ohne auf seine Versuche zu achten, der Berührung zu entgehen. „Eigentlich ist das Black Plateau ein Teil der Fire Mountains“, fügte sie hinzu und zeichnete für die Bergkette eine Reihe von Pyramiden entlang der Westseite ein.
Er versuchte, sich ausschließlich auf Jannas Worte zu konzentrieren, aber die niedergedrückte Hand auf seinem Bein brannte heiß. Er wäre zur Seite ausgewichen, wenn er gekonnt hätte. Aber die Felskluft am Rand der Hochfläche, in der sie Unterschlupf gesucht hatten, war einfach zu eng. Er hockte bereits dicht an einen schwarzen Steinblock gedrängt, während ihre Hand an die
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