Wildes Lied der Liebe
Hicks maßen bereits einen Balken für den Dachfirst ab, während die anderen Männer Sägeböcke aufstellten und begannen, Kiefernholzbretter zuzusägen. Kurze Zeit später gesellte sich Trace zu ihnen, krempelte die Ärmel hoch und half. Bridget hatte ihren Mann begleitet, ließ sich jedoch auf seinen Wunsch hin im Schotten auf einem großen, moosbewachsenen Stein nieder. Die fortgeschrittene Schwangerschaft ließ sie schwerfällig und erhitzt wirken; sie lächelte jedoch so selig wie eine Madonna auf einem Renaissancegemälde und schien vor Freude von innen heraus zu leuchten.
Christy betrachtete ihre Cousine nachdenklich und nicht ohne Neid. So sah also eine Frau aus, die das Kind des Mannes unter dem Herzen trug, den sie wirklich liebte. Schnell gewann sie jedoch die Fassung zurück. Sie hatte sich dazu entschlossen, aus Vernunftgründen zu heiraten, in der Hoffnung, Liebe und Leidenschaft würden sich mit der Zeit einstellen. Und sie musste an diesem Entschluss festhalten, also hatte es keinen Sinn, ihr Schicksal zu beklagen. Lieber wollte sie sich auf den Lohn für ihre Mühen konzentrieren oder sich daran erinnern, wie es gewesen war, erst in England auf dieses schreckliche Internat zu gehen und dann nach Virginia zurückzukehren, nur um dort alles verändert vorzufinden. Obwohl es ihr gelungen war, das Ausmaß ihrer Verzweiflung vor Megan zu verbergen, hatte Caney sie nur allzu gut verstanden. Sie war es gewesen, die Christy und Megan eine Unterkunft in ihrem bescheidenen Haus gewährt, ihnen etwas zu essen gegeben und schließlich vorgeschlagen hatte, sich dem Treck nach Westen anzuschließen, um das Erbe Gideon McQuarrys anzutreten und ein neues Leben zu beginnen.
Was hätten sie nur ohne Caney getan? Kopfschüttelnd füllte Christy etwas Wasser in einen sauberen Becher und trug ihn über die Wiese zu der Stelle, an der Bridget saß. »Es tut mir Leid«, sagte sie mit einem leichten, aber von Herzen kommenden Lächeln, »doch ich habe leider keine Möglichkeit, dir eine Tasse Tee zu kochen.«
Bridget nahm den Becher mit einem dankbaren Nicken an. »Das tut gut«, seufzte sie. Dann neigte sie den Kopf in Richtung der Hütte, wo sich die Arbeiter tummelten und die Geräusche von Hämmern und Sägen die Frühlingsluft erfüllten. »Es scheint, als würdest du noch heute Nachmittag unter einem neuen Dach wohnen«, bemerkte sie und rückte zur Seite, um für Christy Platz zu machen.
Der Stein erwies sich als sehr hart, und Christy versuchte vergeblich, eine bequeme Sitzhaltung zu finden.
In Bridgets blauen Augen funkelte freundliche Belustigung. »Vielleicht solltest du dich lieber ins Gras setzen«, schlug sie vor. »Es ist weicher. Ich bin sch li eßlich viel besser gepolstert als du.«
Christy lachte und hielt nach Megan Ausschau. Sie entdeckte die Schwester, die gerade einem gut aussehenden jungen Burschen mit dunklen Haaren und verwegen funkelnden Augen Nägel anreichte. Ihre Miene verfinsterte sich.
Bridget folgte ihrem Blick . »Das ist Caleb Strand«, erklärte sie. »Er ist ein netter, fleißiger junger Mann und völlig harmlos.«
Ihre Cousine seufzte. Mr. Strand mochte ihr zwar warm empfohlen werden, doch sie würde trotzdem ein Auge auf Megan haben. Sie wusste, was das Beste für ihre Schwester war, und eine Ehe mit einem Holzfäller kam nicht infrage. Megan würde die besten Schulen besuchen, vielleicht sogar in San Francisco oder Denver, sobald die notwendigen finanziellen
Mittel zur Verfügung standen. Eines Tages würde sie dann einen Mann heiraten, den sie li ebte, der jedoch außerdem einer vornehmen Familie entstammen sollte, damit sie niemals wieder etwas entbehren musste.
»Megan«, erklärte sie schließlich, »wird nicht in Primrose Creek bleiben. Jedenfalls nicht lange.«
»Warum nicht?«, fragte Bridget überrascht. »Hier ist schließlich ihr Zuhause, ebenso wie deines.«
Nein, Bridget, berichtigte Christy sie im Stillen, es ist dein Zuhause. Ich werde immer nur deine Cousine sein, die aus der Fremde zurückkehrte.
»Primrose Creek hat Megan nichts zu bieten«, erklärte Christy mit fester Stimme, gerade als ihr Blick wieder auf Marshal Shaw fiel. Auch wenn er nicht zu ihr herübersah, konnte sie einfach nicht aufhören, ihn zu betrachten. »Es ist ein wunderschönes Fleckchen Erde, nur leider ein wenig ... abseits.«
Bridget wirkte leicht verärgert. »Meinst du nicht viel eher hinterwäldlerisch?«
»Das habe ich nicht gesagt«, protestierte Christy. Zachary hatte den
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