Wildes Lied der Liebe
fort«, flüsterte Christy wie verzaubert. »Ich wünschte, einfach hier eine Hütte bauen zu können und den Rest meines Lebens damit zu verbringen, diesen See zu betrachten.«
Zachary lachte leise. Seine Stimme klang tief und männlich. Kein ungewöhnliches Lachen vielleicht, dennoch schien es nur ihm allein eigen zu sein. An seiner Brust begann das Baby wie ein kleines, verwundetes Waldtier zu wimmern, das aus seinem Versteck gejagt und in ein gefährliches Gebiet getrieben worden war.
»Es ist gut«, sagte er leise, und das Kind beruhigte sich auf wundersame Weise. Mit ernster Miene sah er Christy an. »Es scheint, als würde sich Ihr Wunsch für den Augenblick erfüllen«, fuhr er mit so viel Begeisterung in der Stimme fort, als liefe er Gefahr, inmitten einer Herde galoppierender Binder vom Pferd geworfen zu werden. »Die kleine Lady hier muss sich ausruhen. Und Ihnen würde eine Pause sicher auch gut bekommen.«
Dem konnte Christy nicht widersprechen. Sie Waren bereits seit Stunden unterwegs, und das Kind war mittlerweile sicher nicht nur schwer krank, sondern auch von der R eise erschöpft. Auch sie selbst fühlte sich müde, obwohl sie an harte Arbeit und beschwerliche R eisen gewöhnt war. »Ich werde der Kleinen noch ein wenig Wasser einflößen«, entschied sie, »wenn Sie inzwischen die Pferde versorgen und ein Feuer anzünden.«
Zachary grinste und tippte sich an den Hut. »Sehr wohl, Mylady.«
Sie blickte ihn ernst an. »Warum tun Sie das? Aus welchem Grund verspotten Sie mich immer wieder, als wäre ich eine alternde, herrische Lady, die Sie ständig herumkommandiert?«
Belustigt funkelten Zacharys Augen. »Ich liebe es, Ihre R eaktionen zu beobachten«, gestand er und saß elegant ab. »Außerdem neigen Sie tatsächlich dazu, überflüssige Anweisungen und ungebetene Ratschläge zu erteilen.«
Christy lehnte beim Absteigen seine Hilfe ab, nicht weil sie etwa zornig gewesen wäre, sondern weil sie es für notwendig hielt, Zachary auf Abstand zu halten. Als sie schließlich vor ihm stand, löste er vorsichtig das Tragetuch von seinem Nacken und legte Christy das Baby in den Arm.
»Ich schlage das Lager auf.«
Christy nickte nur, drehte sich um und ging davon. Sie schlenderte zu einer kleinen Lichtung in der Nähe, auf der hohes, weiches Gras und Wildblumen wuchsen. Dort kniete sie nieder, legte das Baby vorsichtig hin und befreite es sanft von den Uberresten des Unterrocks und der Pferdedecke darunter.
Der Körper des Mädchens war über und über mit Pusteln bedeckt, und sein kleiner Körper gab so viel Hitze ab, dass Christy noch aus einiger Entfernung ihre Hände daran hätte wärmen können. Christy entschlüpfte ein Seufzer der Verzweiflung, und das Kind schlug die braunen Augen auf und blickte traurig zu ihr empor. Obwohl es erst acht oder neun Monate alt war, schien das Mädchen genau zu spüren, dass es dem Tode nahe war.
Tränen brannten in Christys Augen, während sie einen Streifen von dem Unterrock abriss, ihn mit etwas Wasser aus der Feldflasche benetzte und damit die heiße Haut des Babys abwusch. Sie hoffte, auf diese Weise nicht nur das Fieber zu lindern, sondern auch ihre Entschlossenheit auszudrücken, die Krankheit der Kleinen erbittert zu bekämpfen.
»Sie sollte einen Namen bekommen«, bemerkte Zachary hinter ihr. »Meinen Sie nicht?«
Christy hatte die Kleine gewaschen, aus einem weiteren Stück des Unterrocks eine Windel improvisiert und das Kind wieder in die Decke gewickelt. Danach hatte sie auf dem Boden gekniet, das Mädchen in den Armen, und hatte wie eine Gläubige, die zu einem Heiligen betete, auf den See geblickt. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie viel Zeit vergangen war, doch nun hörte sie plötzlich das Knistern eines Lagerfeuers und roch den Rauch. »Ja«, antwortete sie, »einen Namen.«
Zachary half ihr auf. »Irgendwelche Vorschläge?«
Christy vermochte nicht, über den Sturm in ihrem Innern hinauszudenken. In ihr war die Hoffnung, dass die Kleine genesen möge, die Angst vor den Konsequenzen, wenn sie es nicht tat, Reue verschiedenster Natur und ihre Gefühle für Zachary Shaw, die auf ihre Weise ebenso heilig und Ehrfurcht gebietend zu sein schienen wie der See. »Jenny«, gab sie langsam zurück, »meine Mutter hieß Jenny.«
Er strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn, und seine Berührung erschien ihr wie eine sanfte Sommerbrise. »Dann soll sie Jenny heißen«, stimmte er zu. »Natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass sie zu anderen
Weitere Kostenlose Bücher