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Wildhexe 1 - Die Feuerprobe

Wildhexe 1 - Die Feuerprobe

Titel: Wildhexe 1 - Die Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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ich hoffe, du wirst nicht krank.«
    Tante Isa kam mit dem Tee zurück.
    »Trink«, sagte sie, drückte Kahla einen vollen Becher in die Hand und nahm ihr den leeren ab.
    »Ich kann nicht noch mehr trinken«, sagte Kahla. »Mein Magen gluckert schon.« Aber sie nahm den Becher in beide Hände, um sich daran zu wärmen. »Ich möchte nur so gerne nach Hause!«
    Tante Isa betrachtete sie mit gerunzelten Brauen.
    »Ja«, sagte sie schließlich. »Das ist vermutlich das Einzige, was wir tun können.« Dann drehte sie sich zu mir um.
    »Clara, hör mir gut zu. Ich muss Kahla nach Hause bringen. Das bedeutet, dass ich dich ein oder zwei Stunden alleine lassen muss. Ich werde mich natürlich so sehr beeilen wie möglich, aber es ist weit, selbst wenn man die Wilden Wege benutzt.«
    Ich nickte. »Das ist okay.«
    »Das wird es wohl auch sein müssen«, sagte Tante Isa. »Schließ die Tür hinter mir ab. Geh nicht nach draußen. Und lass niemanden rein. Ist das klar?«
    »Ja«, sagte ich. »Ich passe schon auf.«
    Als ich das sagte, meinte ich es auch so. Aber manchmal kommt es einfach anders.
    Die Zeit verstrich. Ich versuchte, ein Buch zu lesen, aber nach einer Weile wurde mir bewusst, dass ich nur dasaß und die Seiten umblätterte, ohne der Geschichte zu folgen. Warum kam Tante Isa nicht zurück? War nicht längst eine Stunde um?
    Im selben Takt, in dem es draußen dunkel wurde, wuchs die Unruhe in mir.
    »Es passiert nichts«, sagte ich zu mir selbst, so laut, dass Tumpe den Kopf schräg legte und mich ansah, als versuchte er zu verstehen, was diese seltsamen Menschenlaute wohl bedeuten mochten. Es war schön, dass er da war. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich Stjerne auch mit in die Stube genommen.
    Plötzlich stand Tumpe auf und stemmte seine Vorderpfoten gegen die Fensterscheibe. Seine Nackenhaare hatten sich aufgerichtet, und er knurrte leise und gefährlich.
    »Was ist denn, Tumpe?«
    Hatte ich ihn schon jemals knurren hören? Ich glaube nicht. Es war ein tiefer, tiefer Laut, der ein ganz anderes Tier aus ihm machte als den wedelnden Tollpatsch, den ich kannte.
    Dann wieherte Stjerne. Nein. Das war kein Wiehern – das war ein Schrei. Gellend und angsterfüllt. Und als ich Tumpe zur Seite schob und zum Stall hinüberschaute, sah ich lange gelbe Flammen an der Stalltür aufsteigen.
    Ein paar Sekunden lang stand ich wie versteinert da und starrte das Feuer an. Was sollte ich tun? Mein Handy hatte hier keinen Empfang, und ganz abgesehen davon war der nächste Feuerwehrmann garantiert mindestens eine Stunde entfernt. So lange konnte Stjerne nicht warten.
    Tumpe fing an zu bellen. Ich stürzte zur Hintertür, sprang in die Stiefel, schloss die Tür auf und rannte auf den Hof hinaus.
    Jetzt konnte ich erkennen, dass Feuerholz vor der Tür aufgeschichtet worden war. Ich trat in die brennenden Zweige, die meisten Flammen konnte ich löschen. Das Feuer hatte die Tür selbst noch nicht erfasst, die schwarz gestrichenen Bretter schwelten nur ein bisschen, aber ich zog und zerrte daran, bis ich die Tür aus den Angeln gehoben hatte. Dann schleppte ich sie in die Mitte des Hofs, wo die Funken dem Strohdach nichts anhaben konnten, falls die Glut doch wieder aufflammen sollte. Drinnen im Stall wieherte Stjerne noch immer herzzerreißend und eine der Ziegen stürmte klappernd durch die Türöffnung und rannte den Kiesweg hinunter.
    Ich ließ sie laufen. Tumpe stand dicht neben mir. Er hatte das Fell gesträubt und starrte angespannt zum Stall hinüber. Er knurrte so sehr, dass sein ganzer Körper vibrierte, ich konnte es an meinem Oberschenkel spüren.
    Das war kein Zufall, dachte ich. Jemand hatte Feuerholz vor der Tür aufgeschichtet und es angezündet. Mit Absicht.
    Aber warum? Warum sollte jemand Isas Stall niederbrennen wollen?
    Um mich aus dem Haus zu locken.
    Die Antwort ploppte im selben Moment in meinem Kopf auf, in dem ich sie entdeckte.
    Chimära.
    Sie saß auf dem Dach des Stalls, zusammengekauert wie ein Vogel auf einem Stock. Sie hatte ihre Flügel auf dem Rücken gefaltet. Ihre gelben Augen starrten mich an. Hatte sie die ganze Zeit dort gesessen, oder war sie eben erst aufgetaucht?
    Sie ist eine Wildhexe, dachte ich, sie ist die ganze Zeit da gewesen, ich konnte sie nur nicht sehen.
    Sie breitete die Flügel aus. Es kam mir vor, als verdeckten sie den ganzen Himmel. Dann stürzte sich Chimära vom Dach und schoss im Sturzflug auf mich zu. Ich drehte mich um, versuchte zu fliehen, aber ich schaffte es nicht einmal,

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