Wildnis
Er war noch sehr müde. Kein Laut war zu hören außer Annas gleichmäßigem Atem. Vorsichtig stand er auf und schlurfte mit verschwollenen Augen zum Bad. Während er aus seinen Händen trank, entdeckte er einen geröteten Striemen auf seiner Stirn. Wie es den Anderen wohl ergehen mochte, fragte er sich, während er durch den Flur zurückging.
Eine Hand legte sich um seinen Hals, etwas Scharfes drückte knapp darunter gegen seine Kehle. Jan erstarrte. Er hatte nicht aufgepasst, der Mörder hatte ihn erwischt! Durch den Türspalt zu Annas Zimmer fiel ein Lichtkeil über den Boden zur Wand, Staub flimmerte in der dicken Luft und Jan fühlte sich seltsam verbunden mit Licht und Staub, versöhnt mit Leben und Tod. Da sah er Sarah in der Nacht hängen. Sie öffnete Annas blassgrüne Augen. Er wollte schreien, doch ihm fehlte die Luft.
„Ruhig!“, befahl der Mann hinter ihm. Die Stimme kam Jan bekannt vor. Er ließ sich ins Mädchenzimmer ziehen.
Der Mann drehte ihn zu sich um, ohne Hand oder Messer von seiner Kehle zu nehmen. Es war Greg. Höhnischer Triumph funkelte in seinen Augen. „Du hast dich mit dem Falschen angelegt. Streck die Handgelenke übereinander und halt weiter dein Maul oder ich ersteche dich.“
Einhändig fesselte ihn Greg mit mehreren Lagen Tape, dann steckte er das Messer weg. „Ich bin Athabasca, der König Alaskas“, sagte er bombastisch, schaute aber unsicher, wie Jan darauf reagieren würde.
Jan zweifelte, ob er richtig verstanden hatte. Nannten sich die Indianer in dieser Gegend nicht Athabasca? Im Salon stand ein Bücherschrank, darin hatte er einen Bilderband über die Geschichte Alaskas entdeckt und die ersten Seiten durchblättert. Eigentlich hatte er weiterlesen wollen, aber jemand Anderes hatte sich das Buch mitgenommen.
Greg begann, mit den Augen zu rollen, zu brabbeln und zu geifern. „Ich bin dein König, und du bist mein Gehilfe. Willst du mir treu dienen?“
Es bestand kein Zweifel: Greg war verrückt geworden. Aber nicht so verrückt, wie er tat. Jan musste an Annas Befürchtung denken, dass Greg den Schuldunfähigen vorspielen könnte.
Greg holte einen zerdrückten Pilz aus der Hosentasche, der graue Hut länglich und kaum dicker als ein Daumen, der feine, weiße Stil geknickt. „Ein Gruß von unserer Sklavin Anna.“ Ein Schütteln durchfuhr Greg, als er Annas Namen aussprach, und er legte eine Hand auf das Jagdmesser an seinem Gürtel. Mit zwei Schritten war er an der Tür, spähte in den Flur und schloss ab.
Der Pilz war zu Boden gefallen und Greg hob ihn wieder auf. „Ich habe mich an ihrem Vorrat bedient. Mir hat sie nur einen halben gegeben, aber du verträgst bestimmt einen ganzen.“
Jan überlegte: Er könnte zu schreien versuchen, wenn Greg ihm den Knebel abnähme. Aber Greg wäre mit seinem Messer bei Anna, ehe sie den Schlaf abgeschüttelt hätte. Oder sollte er ihr wünschen, in einem kurzen Kampf erstochen zu werden? Nein, es war besser, Greg seinen unbekannten Plan ausführen zu lassen. Er würde ihr Schmerzen zufügen, aber nichts Unwiederbringliches antun.
„Du wirst ihn essen und über dich selbst hinauswachsen. Wie Alice im Wunderland. Oder ist die geschrumpft? Weiß der Geier! Falls du allerdings keinen Appetit hast, endet das hier brutal und hässlich.“ Greg führte das Messer an Jans Gesicht, durchschnitt das Tape und riss es ihm vom Mund. Jans Aufschrei blieb im Knebel hängen, den Greg gleich darauf herauszog, nur um ihn ebenso schnell mit dem Pilz zu ersetzen. „Kau und schluck!“ Der Pilz war glitschig und schmeckte bitter. Jan würgte ihn hinunter und Greg knebelte ihn erneut.
„Wir werden gemeinsam erleben, wovon wir nie geträumt hätten“, sagte Greg und setzte sich vor dem Bett auf einen Stuhl. Mehrere Minuten lang geschah nichts. Jans Aufregung ließ nach, er fühlte sich nahezu entspannt und streckte sich in eine bequemere Position. Nur an den Gliedern wurde ihm kühl und er wünschte sich, Greg würde die Decke über ihn legen.
Mit der Zeit fühlte er sich wohler und leichter. Er stellte sich vor, wie er aus dem Fenster schwebte und Greg ihm mit geballten Fäusten nachzeterte.
Mal schien sein Oberkörper sich vom Bett abzuheben, mal seine Beine oder Arme. Alles schwang sanft hin und her. Ihm wurde übel. Was, wenn er erbrechen musste? Der Knebel! Er durfte nicht erbrechen, sonst würde er ersticken!
„Mach keinen Stress.“ Greg grinste. „Das geht vorüber.“
Tatsächlich ließ die Übelkeit nach. Wie viel Zeit war
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