Wildnis
rechts unter den Arm, schraubten sich durch eine Muschel aufwärts und legten ihn auf den weichen Meeresboden. Der Riese saß nun friedlich neben ihm, ohne das Farbspiel der Unterwasserwelt zu stören.
Irgendwann wurden die bunten Besucher seltener und Jan musste aufs Klo. Der vertraute Riese begleitete ihn und gab ihm etwas zu trinken. Eine beglückte Sättigung erfüllte ihn und er fragte sich, ob er träumte.
Sehr viel später erwachte er in einer fremden Umgebung. Ein helles, stilles Zimmer. Überall harte Kanten und feste Formen. Verarmt und leblos, doch trotz der unwirklichen Flachheit beruhigend.
Ein Bett war neben seines geschoben, jemand schlief darin. Sein Freund Michael. Dankbarkeit durchflutete Jan. Er rutschte behutsam aus dem Bett, ohne seinen lieben Freund zu wecken, und schlich hinunter in den Salon. Rund um den Tisch lagen erloschene Kerzen, deren Wachs über den Boden geflossen war. Er verspeiste ein Glas vorzüglicher Marmelade, während er im Salon umherspazierte. Als er zurück in die Küche wollte, um sich an der Nutella zu bedienen, entdeckte er Flecken an der Wand hinter dem Tisch und auch am Boden. Wie getrocknetes Blut. Das erinnerte ihn unheimlich an einen Wolf, den er letzte Nacht hier gesehen hatte. Aber wie war der Wolf ins Haus gelangt und was war aus den bunten Seepferdchen geworden, die durch den Saal geschwebt waren? Er verschob die Nutella auf später, jetzt musste er erst mit seinem Freund reden.
Michael schreckte auf, als Jan ihm über die Haare strich.
„Alles ist gut“, sagte Jan. Michael glotzte ihn ungläubig an. Sicher fand er sich auch nicht gleich zurecht in diesem verwandelten Haus. Also fügte Jan hinzu: „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Die Welt ist heute komisch, aber ich kümmere mich um dich, bist du dich daran gewöhnt hast.“
Michael verfiel in ein blubberndes Lachen, das ihm Tränen in die Augen trieb. Beinahe hätte sich Jan Sorgen um den Zustand seines Freundes gemacht, doch endlich sagte dieser sehr vernünftig: „Guten Morgen. Wie fühlst du dich?“
„Danke, mein Lieber. Mir geht es blendend. Allerdings sind ungewöhnliche Dinge geschehen, über die wir uns unterhalten sollten. Ich will dich nicht gleich damit belasten. Unten steht ein Glas Nutella. Soll ich es dir holen?“
„Bleib besser bei mir sitzen und erzähle mir, was sich ereignet hat ... aus deiner Sicht.“
„Nun, gestern war ein Wolf hier und eine Nixe. Heute Morgen sind beide verschwunden. Dafür liegst du auf einmal neben mir im Bett. Wir sind nämlich in Alaska, eben fällt es mir ein. Mach dir nichts daraus, wenn du das nicht alles auf Anhieb kapierst. Ich werde es dir erklären, sobald es mir selbst klar wird. Nur nicht jetzt ... ich werde gerade so müde.“
„Kein Problem, die Erklärungen können warten. Willst du dich nicht noch mal hinlegen?“
Zufrieden kuschelte sich Jan in sein Bett. Es gab zwar einige ungeklärte Fragen, aber im Grunde war alles gut.
9. Tag
Jan wachte einige Male auf, bevor er sich bereitfand nachzudenken. Er hob den Kopf und schaute aus dem Fenster. Nur noch wenige Sterne standen blass am blauenden Nachthimmel. An einem Morgen, daran konnte er sich erinnern, war er mit Anna von der Suche nach Laura zurückgekommen. Seitdem musste ein Tag vergangen sein. Mit dem Aufwachen schien eine lange Reise zu enden. Wie einem Heimkehrer war ihm die Welt vertraut, doch nicht verlässlich, alles konnte sich während seiner Abwesenheit verändert haben, er selbst konnte den gewohnten Dingen fremd geworden sein.
Greg hatte ihm einen Pilz in den Mund gedrückt und damit den Keim des Andersseits in ihn gelegt. Jan konnte die Schritte der Verwandlung nachvollziehen: Kältegefühl, Leichtigkeit, Schwindel. Danach rankten die Erinnerungen so grell und abartig in sein Bewusstsein, dass er mit ihnen nicht umzugehen wusste. Hatte Greg Anna und ihn in den Salon gebracht? Was war mit ihnen geschehen?
Er fuhr auf. Er musste zu Anna! Spiritus, Feuer, Schüsse – fürchterliche Gedankenschnipsel flogen durcheinander.
Michael streckte einen Arm aus dem Bett neben ihm und hielt ihn zurück. „Wohin willst du?“
„Was ist mit Anna?“
„Wir haben sie gerettet.“
„Was wollte er mit ihr tun?“
Michael rieb sich die Augen. „Wie geht es dir? Spürst du noch die Nachwirkungen? Greg hat dir –“
„Ich weiß. Sag mir, was hat er ihr getan?“
„Setz dich, ich erzähle es dir.“
„Sag schon!“ Jan ließ sich neben Michael nieder.
„Wir kamen von
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