Wildrosengeheimnisse
Teufelstischs getaucht ist und seinen Tauchanzug an Land an einem Baum zum Trocknen aufgehängt hat. Dann hat der Wind das Teil ins Wasser befördert, es hat sich voll Wasser gesaugt und trieb an der Wasseroberfläche. Im Dunkeln kann man so etwas schon ganz gut mal für eine Leiche halten.«
»Und der Taucher hat nicht gesagt, dass sein Anzug fehlt, weil er dort hätte gar nicht tauchen dürfen. Richtig?«
»Genau, Maja. Es hat sich bis jetzt jedenfalls niemand gemeldet, der so ein Stück vermisst. Aber siehst du: Das ist doch mal eine erfreuliche Nachricht. Keine Leiche, kein Mord.
Warum schaust du dann trotzdem so ernst?«
Diesem Mann kann ich einfach nichts vormachen. Natürlich bin ich froh, dass es keine richtige Leiche gibt. So ganz beruhigen kann er mich jedoch noch nicht.
»Diese Isabella wird immer noch vermisst, nicht wahr?«, frage ich daher neugierig.
»Oder gibt es neue Erkenntnisse?«
»Leider nein. Es ist durchaus möglich, dass sie sich nur abgesetzt hat, aber es könnte natürlich genauso gut ein Verbrechen vorliegen. In Friedrichshafen ist letzte Woche eine junge Frau verschwunden, die äußerlich sehr viel Ähnlichkeit mit Isabella Grothe hat. Es könnte natürlich ein Täter sein, der es auf diesen Frauentyp abgesehen hat. Oder ihr Mann hat tatsächlich etwas mit ihrem Verschwinden zu tun. Maja, was ist los?« Mir ist auf einmal schon wieder schwindelig und schlecht. Dieser blöde Kreislauf aber auch.
Na ja, der heutige Tag hatte es in sich. »Ich glaube, wir wechseln lieber das Thema«, sagt Michael fürsorglich. »Ich wollte euch auch nur die freudige Nachricht überbringen.«
»Ist schon gut, Michael. Alles okay, wirklich. Es war nur ein langer Tag heute.«
»Kann ich dir irgendetwas Gutes tun? Ein Glas Wein vielleicht?«, fragt er und streicht mir über das Haar.
In diesem Moment tut es gut, dass er da ist. Und ich kann nicht anders. Ich muss ihm alles erzählen. Michael ist einer der wenigen Menschen, die mir ansehen, dass etwas nicht in Ordnung ist, und das, obwohl wir uns noch gar nicht lange kennen. Vermutlich hängt das mit seinem Beruf zusammen und er kann zwischen den Zeilen lesen.
»Nein …, keinen Wein bitte.«
Ich brauche Michael nur anzusehen und habe das Gefühl, er weiß es.
»Du bekommst ein Kind?«, fragt er erstaunt.
Ich nicke und endlich kann ich die Tränen fließen lassen, die ich den ganzen Tag so mühsam zurückgehalten habe. Wortlos nimmt mich Michael in die Arme und ich heule an seiner Schulter, bis diese ganz nass ist.
»Aber Maja, das ist etwas ganz Wunderbares. Ich freue mich so für dich.«
»Du freust dich?«
Ich kann es nicht fassen. Weiß er denn nicht, wie alt ich bin und in welcher Lebenssituation?
»Ja, und wie. Ein Kind, das ist das Schönste und Beste, was einem im Leben passieren kann.«
Ich denke an Nini und ihr wunderbares Lachen, ihre Schönheit, ihre Intelligenz. Er hat so recht.
»Weißt du, Stefanie und ich haben uns Kinder gewünscht. Aber es wollte nicht klappen. Das kann man ja nicht so einplanen wie einen Autokauf.«
Wem sagt er das.
»Wir waren uns selbst genug. Wir hatten uns immer etwas zu sagen und haben viel gemeinsam unternommen. Und doch denke ich so oft, wenn wir eine Tochter oder einen Sohn hätten, dann wäre ich jetzt nicht allein. Und ich würde durch sie oder ihn immer an Stefanie erinnert.«
Nun ist es an mir, Michael zu trösten.
»Das wirst du auch so, Michael. In der Sandseele zum Beispiel.«
»Ach, Maja, wie machst du das nur? Du verstehst es doch immer, mir einen anderen Blickwinkel aufzuzeigen. Du hast ja so recht, ich danke dir. Es gibt wenige Menschen, mit denen ich so wie mit dir reden kann. Aber zurück zu dir, Maja. Warum bist du denn so unglücklich über diese Schwangerschaft?«
»Ach, ich weiß nicht, wie ich das alles bewältigen soll, so ganz allein. Das Café und die viele Arbeit damit und …«
»Aber du bist nicht allein. Du hast doch Nini …«
»… die jetzt ein Studium in Mannheim beginnt.«
»Ja und? Du schaffst das schon, Maja. Es ist toll, dass du selbstständig bist. Im Winter kannst du getrost ein paar Wochen zumachen und im Sommer stellst du jemanden ein.«
So, wie er das sagt, klingt es ganz einfach.
»Was ist mit dem Vater des Babys?«, fragt Michael vorsichtig.
»Ach der, der kann mir gestohlen bleiben.«
Wieder schütte ich Michael mein ganzes Herz aus. Ich weiß nicht, warum ich ein solches Vertrauen zu ihm habe, aber es tut gut, sich alles von der Seele zu reden.
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