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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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lächelte das wundersame Ergebnis seiner harten Arbeit an.
    »Joffrey!«, rief seine Mutter.
    Verwirrung verdunkelte seine Miene. Was machte seine Mutter hier?
    »Joffrey!«, rief sie erneut. Es war unverkennbar die höchst gereizte Stimme von Priscilla Unthank. »Komm zum Essen runter!«
    Joffrey sah sich um. Er befand sich in seinem alten Kinderzimmer. Poster von Comic-Superschurken schmückten die Wände. Ein ruhiger blauer Fisch schwamm in einem Aquarium auf dem Schreibtisch. Den Fisch hatte er mit elf bekommen. Damals hatte er sich verzweifelt ein Haustier gewünscht, aber seine starke Allergie gegen Katzen hatte ihm diese einfache Kindheitsfreude verwehrt. Den Fisch hatte er Harold getauft, aus Gründen, an die er sich kaum noch erinnerte.
    »Willst du nicht runtergehen?«, fragte Harold, der Fisch. »Sie hat dein Lieblingsessen gekocht: Möbius-Hackbraten.«
    »O nein«, sagte Joffrey. Eine schreckliche Erkenntnis dämmerte ihm. Das wunderschöne Zahnradgetriebe drehte sich weiterhin in seiner Hand. »Bitte nicht.«
    »Joffrey!«, brüllte seine Mutter. »Warum nicht kommst?« Priscilla sprach plötzlich mit einem ausgeprägt osteuropäischen Akzent, den Joffrey seltsam fand, da sie doch aus Salem, Oregon, stammte.
    »Einen Moment«, sagte der verdutzte Joffrey Unthank, während er angestrengt versuchte, sich zurechtzufinden. Er wollte die Illusion des fertiggestellten Zahnrads noch ein kleines bisschen länger aufrechterhalten. Die unlösbare Aufgabe erfüllt zu haben, war das höchste Glücksgefühl, das er je empfunden hatte.
    »Warum nicht willst? Du sagst, wir machen Filme. Hollywoodfilme. Aber du isst nicht Hackbraten!« Mittlerweile hatte sich die Stimme seiner Mutter vollständig in die von Desdemona verwandelt. Der Fisch zwinkerte ihm aus seinem Glas zu. Es war klar, was geschah.
    »Nein!«, stöhnte Joffrey an Harold gewandt. Er sah in seine Hand. Das Zahnrad war fort, stattdessen hielt er ein großes, fleischiges Herz. Es schlug ruhig und spritzte kleine Blutfontänen auf seine Star-Wars-Bettwäsche. Einzelne Tropfen der warmen, klebrigen Flüssigkeit landeten auf seinem Gesicht und seinen Händen.
    »Joffrey!«, rief Desdemona.
    »Bitte nicht!« Seine Verzweiflung wuchs. Der Fisch begann zu lachen.
    Desdemonas Stimme war jetzt ganz nah. Sie klopfte an die Kinderzimmertür und rief: »Joffrey, was machst du?«
    Und dann wachte er auf.
    Es klopfte immer noch. Er war in seinem Büro. Das Nasse auf seiner Wange war in Wirklichkeit die erstaunliche Menge von Spucke, die aus seinem Mundwinkel gesickert war. Sie sammelte sich auf dem Papierstapel, der ihm als Kissen gedient hatte. Ganz oben auf diesem Stapel lag die Zeichnung des Möbius-Zahnrads. In einem Anfall von Panik griff er nach dem Zipfel seiner Krawatte und wischte die Flüssigkeit ab, erleichtert, dass keine wichtige Maßangabe oder Gleichung verschmiert worden war.
    Erneut ertönte das Klopfen. »Joffrey! Tür ist abgeschlossen. Ich weiß, dass du da bist.« Es war Desdemona, vor seinem Büro.
    »Ich bin nur kurz eingenickt«, gab Joffrey heiser zurück. »Was ist denn?«
    »Dieser Mann will dich sprechen. Roger. Du weißt schon.«
    Unthank riss die Augen weit auf. Ein Blick auf den Kalender auf seinem Schreibtisch (»Lachen ist gesund! Tag für Tag die besten Witze«) sagte ihm, dass es Mittwoch war. Der fünfte Tag und damit der Ablauf der Frist für die Herstellung des Zahnrads.
    »Äh«, murmelte er, stützte die Hände auf den Schreibtisch und sah sich immer noch leicht desorientiert um. »Ja. Schick ihn doch bitte rein.« Er zog seine Krawatte gerade, die immer noch feucht war, weil er sie als Wischlappen benutzt hatte, und strich sich die zerzausten Haare glatt. Dann stand er schwerfällig auf, ging zur Tür und schloss auf.
    Kurz darauf schwang die Tür auf. Desdemona warf ihm einen forschenden Blick zu, dann führte sie den Besucher herein.
    »Roger«, grüßte Joffrey mit geheuchelter Liebenswürdigkeit. Der Traum hing ihm immer noch nach, und es fiel ihm schwer, sich wieder in seine ebenfalls seltsame Realität zu versetzen.
    Der Mann trug wieder denselben altertümlichen Anzug, und auch der Kneifer klemmte auf der Nase. »Und?«, fragte Roger nach einer winzigen Pause. »Haben Sie das Zahnrad fertiggestellt?«
    Mit einem übertriebenen Lächeln schob Unthank Desdemona aus dem Raum und machte die Tür zu. »Das ist es ja genau, Roger«, sagte er. »Ich bin ganz nah dran.«
    »Nah dran?« Der Mann war gerade im Begriff gewesen, sich

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