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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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den Ohrstöpseln.
    Erneut das Klicken, eine weitere Rückkopplung. »Bitte bereitet ihnen besten Unthank-Heim-Empfang.« Knack . Ruhe.
    Elsie blickte sich um. Die versammelten Mädchen winkten ihnen halbherzig und erschöpft zu.
    Schon wieder jaulte der Lautsprecher los. »Es wird bekanntgegeben, dass Quartalsproduktion sich erhöhen muss. Von morgen an gelten wieder längere Arbeitszeiten.«
    Ein kollektives Stöhnen folgte dieser Ankündigung.
    »Und nun ein paar Worte von eurem Hausherrn, Mr. Joffrey Unthank.«
    Die Mädchen warteten. Stille breitete sich im Raum aus. Elsie spürte ein Zupfen am Ärmel. Es war Martha. »Hey«, flüsterte sie verschwörerisch. »Sag deiner Schwester, sie soll den iPod während der Durchsagen rausnehmen. Dafür wird man unadoptierbar, garantiert.«
    Elsie sah sie fragend an, doch es knackte im Lautsprecher, offenbar stand die nächste Informationsflut bevor. Gerade noch rechtzeitig schaffte Elsie es, Rachel die Kopfhörer rauszuziehen und sie anzuzischen: »Wir sollen zuhören!« Rachel starrte sie wütend an, aber dann fügte sie sich. Die nun folgende Ansprache kam von einer eindeutig männlichen Stimme.
    »Bewohner des Unthank-Heims, ich verstehe, dass ihr euch auf eine Erholungspause freut. Und ich verstehe, wie betrüblich es klingen muss, die Arbeitszeit verlängert zu bekommen. Dennoch: Ich bitte euch, an all die guten Männer und Frauen – all die möglichen Väter und Mütter – zu denken, die wegen der praktischen Geräte, die sie zum Leben brauchen, auf eure Arbeit angewiesen sind. Ohne euch, liebe Kinder, gäbe es keine Waschmaschinen, keine Heimgeneratoren, keine Digitaluhren oder elektrischen Nudelmaschinen. Eben genau die Dinge, die unsere Gesellschaft zum Funktionieren braucht. Je mehr Komfort wir in das Leben der Bürger bringen, desto leichter sind sie in der Lage, das Aufnehmen von Kindern in Betracht zu ziehen.«
    Ein Klicken. Die Stimme hielt inne. Elsie kam es vor, als erforderte die Rede des Sprechers eine reichlich sorgfältige Überlegung.
    »Und je mehr diese Bürger darüber nachdenken, Kinder bei sich aufzunehmen, desto wahrscheinlicher ist es, dass ihr, Mädchen und Jungen, einen Platz in einem gemütlichen, warmen Heim bei einer liebevollen Familie findet, einer Familie, die über jede Annehmlichkeit modernen Lebens verfügt. Und bevor ihr jetzt zum Duschen und Abendessen entlassen werdet, möchte ich euch bitten, so viel Begeisterung in das Aufsagen unseres Wahlspruchs zu legen, wie ihr aufbringen könnt. Die kinderlosen Mütter und Väter Amerikas verlassen sich auf euch.«
    Die Mädchen im Schlafsaal strafften die Schultern und sprachen nach, was die gesichtslose Stimme vorsagte, wiederholten jeden aus dem graugrünen Lautsprecher dringenden Satz.
    »MASCHINENTEILE BAUEN MASCHINEN.
    MASCHINEN BEDEUTEN KOMFORT.
    KOMFORT IST FREIHEIT.
    FREIHEIT IST FAMILIE.«
    »Sehr gut, Kinder«, lobte die Stimme sanft. »Ich spreche morgen wieder mit euch.«
    Das laute Knacken, offenbar das Abschalten des Mikrofons, ertönte, gefolgt von der barschen Stimme, die Elsie und Rachel vorher schon gehört hatten – roboterhaft und knapp.
    »PCHCHCH ZZZZZZ AUSZIEHEN UND WASCHEN. ABENDESSEN UM 18 UHR.«
    Mit einem Schlag summte der Raum vor Energie, alle Mädchen schlüpften hastig aus ihren verschmutzten Overalls, unter denen sie alle die gleiche rote Wollunterwäsche trugen, und sausten zu einer Tür, die vermutlich zu den Duschen führte. Innerhalb weniger Augenblicke war der große Raum völlig leer, und ein lärmender Trubel hallte von den gefliesten Wänden der Waschräume wider. Genau in diesem Moment betrat eine Gestalt das Zimmer und kam auf die beiden Mehlbergs zu. Es war ein alter Mann, gekleidet in den unerlässlichen grauen Overall, und er trug zwei in durchsichtiges Plastik gewickelte Bündel. Wortlos ließ er je eines davon am Fußende von Rachels und Elsies Bett fallen. Dann drehte er sich abrupt um und schlurfte, ganz gebeugt und krumm, wieder hinaus. Rachel hob ihr Päckchen auf und zerriss das Plastik. Darin lagen, ordentlich gefaltet, zwei Kleidungsstücke: ein gestärkter grauer Overall und eine Garnitur rote, lange Unterwäsche.

SIEBEN
    Rückkehr nach Wildwald
    P rue stand immer noch unter Schock, als der Reiher sich durch die dichten, verschneiten Baumwipfel nach unten schlängelte und auf dem Waldboden aufsetzte. Sie hatte kaum fünf Worte mit Curtis gewechselt, dessen Bauch sie den gesamten Flug über fest umklammert hatte. Sie waren über der

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