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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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einem Absatz aus Holz, der an der Felswand befestigt war. Eine kleine rote Laterne verbreitete trübes Licht. Vorsichtig setzte Brendan Prue ab und zog dann zwei Mal fest am Seil. Prue versuchte, sich zu orientieren. Der Boden der felsigen Schlucht war immer noch in undurchdringliche Dunkelheit gehüllt. Von der hölzernen Plattform führte eine Seilbrücke weg in die Finsternis, und in der Ferne waren einige flackernde Lichter zu sehen, wie ein Schwarm Glühwürmchen. Bald darauf war auch Curtis wieder bei ihnen. Er löste das Seil von einer achtförmigen Schnalle an seinem Gürtel. Prue musterte ihn staunend. »Wo hast du das denn gelernt?«
    »Abseilen«, sagte er grinsend. »Dritte Stunde.«
    Ein Pfiff war nun von der anderen Seite der Kluft zu hören. Am anderen Ende der Seilbrücke machte Prue jemanden aus, der eine Laterne schwenkte. Schnell pfiff Brendan zweimal zurück, und die drei begannen die Überquerung. Der Wind peitschte durch die Schlucht, und die Brücke bebte und zappelte, als sie die Mitte erreichten. Prue hielt sich krampfhaft an dem als Geländer dienenden Seil fest und konzentrierte sich mit aller Kraft darauf, nicht nach unten zu sehen. Endlich kamen sie auf der anderen Seite an, wo sie von einem Räuber begrüßt wurden.
    »Eamon«, sagte Brendan.
    »König«, erwiderte der andere Mann.
    Jetzt erkannte Prue auch, was das für flüchtige, tanzende Lichter gewesen waren, die sie von gegenüber gesehen hatte: Über den gesamten steilen, zerklüfteten Abhang verteilt sprenkelten Laternen die Felswand und beleuchteten tiefe Einbuchtungen im Stein. Dort waren einfache Gebilde aus knorrigen Ästen gezimmert worden – Türrahmen und Windfänge, hier und da mit Hirschfellen verhängt. Nach und nach wurden noch weitere Seilbrücken sichtbar, die diese vielen Höhlen miteinander verbanden. Mehrere verliefen sogar ein Stück weiter im Zickzack quer über die Schlucht, wo noch weitere Lichter brannten. Holzstufen führten in die Tiefe, und Prue stellte fest, dass diese schwindelerregende Anordnung von Laternenschein weiter, als sie erkennen konnte, nach unten reichte. Auf ihre Pfiffe hin waren Köpfe aus den Felsnischen aufgetaucht: Die abgehärteten Gesichter der Räuber spähten auf die neu Eingetroffenen hinab.
    »Ihr seid umgezogen«, war alles, was Prue herausbekam.
    »Ja«, entgegnete Brendan. »Wir wechseln das Versteck, wenn die Versammlung entscheidet, dass das Lager nicht mehr sicher ist. Da die Kojoten uns entdeckt hatten, blieb uns nichts anderes übrig, als umzuziehen.« Breitbeinig stand er da und betrachtete stolz das gesamte Lager, das sich in alle Richtungen weit an der Felsmauer entlang erstreckte. »Es war ziemlich heftig, das aufzubauen, aber ich glaube, hier können wir ein Weilchen bleiben.«
    Prue beugte sich vorsichtig über die Kante und suchte nach den am weitesten entfernten Lichtern und den Eingängen der Behausungen, die sie beleuchteten. Dahinter war nur noch totale Schwärze. »Wie weit geht es da runter?«, fragte sie.
    »Das weiß keiner. Etwas tiefer haben wir Anzeichen von uralten Siedlungen gefunden, Höhlenbewohner. Aber ab da wird es noch unwegsamer. Also lass nichts fallen, was dir am Herzen liegt, denn du wirst es nie wiedersehen.«
    Über eine wackelige Holztreppe an der Steilwand entlang erreichte man eine Fläche, die wie eine Art Start- und Landeplatz aussah: eine lange, von einem Holzgeländer umgebene Plattform, die über den Abgrund hinausragte. Am einen Ende der Konstruktion war ein Loch in die Holzbalken gesägt worden, durch das ein im Fels verwurzelter knorriger Baum wuchs. An dem dicken Stamm war ein Drahtseil befestigt, das in der Dunkelheit verschwand und an dem unter einer Flaschenzugrolle eine geräumige Kiste hing, groß genug für vier oder fünf Menschen. Brendan winkte, und Prue kletterte vorsichtig hinein. »Festhalten«, befahl Brendan, während er und Curtis ebenfalls einstiegen. Curtis löste eine Leine, die die Kabine festhielt, und das Gefährt sauste los, am Drahtseil hinab und vorbei an einer flimmernden Abfolge von Verschlägen und Höhleneingängen, Plattformen und Stegen.
    An einem tiefer gelegenen Absatz bremste die Gondel scharf. Ein weiterer Helfer begrüßte sie, und hinter ihm sah Prue eine riesige Öffnung im Fels, wo Scharen von bunt gekleideten Räubern sich um eine große Feuerstelle drängten. Es roch nach gebratenem Fleisch. Sobald Prue auf den Steinboden der Höhle trat, richteten sich die Blicke aller Anwesenden auf

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