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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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Schnauze. Und dann veränderte sich schlagartig etwas in ihm, Erkenntnis leuchtete in seiner Miene auf, sein Maul verzog sich kläglich. Erneut brach er in Tränen aus und sank zu Boden.
    »Ach, es tut mir so leid«, lallte er. »So unendlich leid.«
    Trotz Sterlings heftigem Einspruch rannte Prue zum Wolf und legte ihm den Arm auf die Schulter. »Was ist denn?«, fragte sie.

    Mit tränenfeuchten Augen sah Donalbain sie an. »Verdammt. Verdammt, verdammt. Ich habe euch für einen Krug Klatschmohnbier verkauft.«
    »Was meinen Sie damit, › verkauft‹?«
    »Dich und den Jungen. Und die alte Frau. Alle. Verraten und verkauft. Und es tut mir so leid.« Seine Worte gingen in einem weiteren Sturzbach von Schluchzern unter.
    »Reißen Sie sich zusammen!«, rief Sterling, aber Prue winkte ärgerlich ab.
    Der Wolf sprach weiter. »Dieses Teufelsgetränk. Diese Ambrosia, zugleich süß und abscheulich. Es ist doch alles, was ich habe. Alles, was ich habe. Kann man mir das verübeln? Sie kamen zu mir, diese schwarzen Füchse, in der Stunde meiner größten Not, und in dem Augenblick schien es nur eine Kleinigkeit zu sein. Nur reden, mehr wollten sie nicht. Worte. Also gab ich ihnen ihre Worte, diejenigen, die sie hören wollten, weil es doch nur eine solche Kleinigkeit war, die zwischen mir und noch mehr himmlischer Wonne stand. Ich habe ihnen gesagt: Der Junge und das Mädchen sind ins Lager gegangen, das Lager in der Schlucht, und dort verstecken sie sich, und der König auch.«
    Prue lauschte ihm erschrocken.
    »Was haben Sie getan?«, flüsterte Curtis fassungslos.
    »Und das war alles!«, stöhnte der Wolf. Seine Stimme hatte sich zu einer Art wahnsinnigem Singsang gewandelt. »Mehr brauchte ich nicht zu tun, und in dem Moment kam es mir vor wie eine Kleinigkeit. Aber der Becher ist leer, und hier steh ich nun, ein elendes, elendes Geschöpf. Kein Klatschmohnbier, um meinen Durst zu stillen, aber so viel Blut an den Pfoten.« Er streckte sie aus, seine Pfoten, und betrachtete sie reuevoll. »Seht doch!«, rief er. »Blut! Rötestes Blut! Kinderblut!« Doch da war nur sein graues Fell, mit Dreck gesprenkelt.

    Sie verloren keine Zeit. Sterling schaffte es, zwei gesattelte Pferde aus einem Stall in der Nähe zu beschaffen, obwohl er währenddessen einen endlosen Strom von Einwänden vorbrachte. »Das ist doch verrückt«, lautete einer. »Ihr lauft dem Feind direkt in die Arme«, ein anderer. »Ihr fahrt mit einem führerlosen Zug in einen Tunnel, der direkt an einem Bahnhof mündet, wo eure schlimmsten Albträume schon auf euch warten«, war ein längerer.
    »Da stimme ich dir zu, bei dem letzten«, sagte Septimus, der pflichtbewusst auf Curtis’ Schulter saß.
    Es war hauptsächlich Curtis, der den Protest zurückwies. Er wollte unbedingt so schnell wie möglich zurück ins Räuberlager, um Brendan und die anderen zu warnen. Er hatte sich über die Befehle seines Königs hinweggesetzt und dadurch nicht nur den Standort des mühsam errichteten Lagers, sondern die gesamte Räuberfamilie in Gefahr gebracht. In dem Punkt gab die Ratte ihm Recht, obwohl sie den Räubereid nicht abgelegt hatte. Niemand konnte wissen, was diese Gestaltwandlerfüchse alles unternehmen würden, um ihre Beute zu bekommen. Und kein Räuber, der etwas auf sich hielt, würde Prues Aufenthaltsort verraten, lieber würde er sterben. Das war eine weitere große Sorge.
    Curtis sprach während der Reisevorbereitungen sehr wenig mit Prue. Sie sah die brodelnde Wut in seinen Augen und ahnte, dass er wohl gegen den Drang ankämpfte, auf sie loszugehen. Immerhin war es ihre Schuld, dass sie das Versteck verlassen hatten. Das änderte aber nichts daran, dass Donalbain so oder so ausgeplaudert hätte, wo sie sich aufhielten, und was dann? Nein, sie vermutete, dass Curtis wütend war, weil er jetzt nicht im Lager war, und das im Moment höchster Not. Es war unräuberhaft, die Familie im Stich zu lassen. Und die Räuber waren eben jetzt seine Familie.
    Über den fernen Gipfeln des Kathedralengebirges braute sich ein Sturm zusammen. Dunkle Wolken verhüllten die Bergspitzen, als sie die Pferde bestiegen und sich rasch von der Menge vor der Großen Halle verabschiedeten. Sie trugen schwere Wollstolas um die Schultern, die sie von einem der Bauern geschenkt bekommen hatten. Inzwischen war es fast Mitternacht, und eine dünne Mondsichel spähte hinter einem Wolkenknäuel hervor wie ein blasses weißes Auge. Prue und Curtis stießen den Pferden in die Flanken und

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