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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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blinzelte.
    Jubelnd reckten die Soldaten ihre Säbel in die Luft, doch da tauchte schon ein neuer Ansturm von Räubern auf der Kammlinie auf, und so stürzten sie sich eilig zurück in den Kampf. Curtis hörte das Stampfen von Hufen hinter sich.
    »Curtis!«, ertönte die Stimme der Gouverneurin. »Komm mit!«
    Alexandra streckte ihm die Hand entgegen. Ein jeder von ihnen umschloss den Unterarm des anderen, Curtis rappelte sich auf und wurde über die Flanke des Pferdes in den Sattel gehoben. Erst jetzt konnte er allmählich wieder etwas hören.
    »Haben Sie das gesehen?«, brüllte er gegen das Getöse der Schlacht an. Er spürte, wie er strahlte, ebenso überrascht wie stolz.
    »Ja!«, erwiderte Alexandra. »Sehr gut, Curtis! Wir machen doch noch einen Krieger aus dir!«
    In der einen Hand das Schwert, in der anderen die Zügel trieb sie das Pferd an, und es galoppierte geschickt durch die Bäume. Sie war eine hervorragende Reiterin, und wehe dem Räuber, der den Versuch wagte, eine Waffe gegen sie zu erheben, solange sie im Sattel saß: Er wurde auf der Stelle niedergestreckt.
    »Wo reiten wir hin?«, fragte Curtis, das Gesicht in den Pelz ihrer Stola geschmiegt.
    »Das wirst du gleich sehen!«, rief Alexandra.
    Sie erreichten das hinterste Ende des Kamms, wo die Schlucht am tiefsten war und die Böschung jäh wie die Steilwand eines Canyons aufragte. Um sie herum tobte ein Gewirr von Räubern und Kojoten;
Schwerter und Bajonette prallten krachend gegeneinander. Alexandra sprang vom Pferd, tötete rasch einen angreifenden Räuber mit einem Schwerthieb und rannte zum Rand des Hügelkamms. Curtis schluckte heftig und lief ihr nach. Als er neben ihr stand, zeigte die Gouverneurin in das Tal, wo eine Gruppe von Räubern unter großer Anstrengung eine riesige Haubitze den Abhang hinaufschob.
    »Da«, sagte sie leise. »Wenn das Geschütz noch näher kommt, ist unser Bataillon diesen Wilden auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.«
    Tatsächlich sahen die Kanonen der Kojoten gegen die wuchtige Haubitze aus wie Knallfrösche; das Rohr war mindestens einen Meter dick und so lang, dass zwei Männer hintereinander darin hätten liegen können. Das Eisen war kunstvoll mit einem bösen Drachen verziert, dessen spitze Zähne die Mündung einrahmten. Mit einem Schuss aus dieser Waffe könnte man einen kompletten Hang niedermähen, mutmaßte Curtis.
    »Was können wir dagegen unternehmen?«, fragte er.
    »Schießen«, antwortete Alexandra. Sie drückte ihm ein Gewehr in die Hand, legte dann ihr eigenes an und nahm die Mannschaft der Haubitze ins Visier.
    Curtis erbleichte und das flaue Gefühl in seiner Magengegend verstärkte sich. Er hatte die Kanone abgefeuert, okay, aber es hatte sich irgendwie so anonym und zufällig angefühlt. Er war nicht sicher, ob er tatsächlich fähig wäre, auf jemanden zu zielen und zu
schießen . Wie gelähmt stand er mit dem Gewehr in seinen Händen da.
    Unterdessen hatte die Gouverneurin mehrere Schüsse in Richtung Haubitze abgegeben und zwei Räuber getroffen – die allerdings sofort durch den nicht enden wollenden Strom an Verstärkung, der den Hügel hinaufstürmte, ersetzt wurden. Fluchend rammte sie den Gewehrkolben auf den Boden und lud nach.
    In der verzweifelten Hoffung, irgendeine andere Strategie zu finden, suchte Curtis die Kammlinie ab. Prompt entdeckte er etwas, das ihm das Herz bis zum Hals hüpfen ließ. »Warten Sie mal!«, rief er Alexandra zu und ließ sein Gewehr fallen. Er spurtete zu einer moosbewachsenen Felsnase, die über die Schlucht ragte und auf der eine gigantische Zeder umgestürzt lag, deren raue Rinde bereits von Efeu und Farnen überwuchert war. Der Mittelteil des Zedernstamms ruhte schräg auf einem weiteren umgefallenen Baum, sodass das eine Ende an der Kante zur Schlucht auf der Kippe lag und gefährlich in den Abgrund hineinragte. Curtis’ Blick sauste zwischen den Räubern und dem toten Baum hin und her; er schätzte die Entfernung und Höhe des Überhangs ab. Offenbar zufrieden mit seinen Berechnungen hüpfte er über den Stamm, warf sich auf den Boden und stemmte die Füße gegen die Rinde. Unter einem schmerzvollen Grunzen begann er, mit aller Kraft zu schieben. Der Stamm kippte leicht, und die Erde darunter bröckelte ab, doch dann war Curtis’ Energie erschöpft und die Zeder schaukelte zurück in ihre ursprüngliche
Position. Curtis atmete tief ein und probierte es erneut. Dieses Mal hob sich der Baumstamm zwar schon etwas höher, aber immer noch nicht

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