Wilhelm Busch
aus jener Tür
Ein greulich Phänomen herfür??!!
In seinen Augen kann man’s lesen:
Dies ist fürwahr kein menschlich Wesen!
Ein Quadruped ist hier zu schauen,
Ein Flügeltier mit Schweif und Klauen.
Hans Dralle steht das Haar nach oben,
Die Zipfelhaube wird gehoben.
Schon kommt’s mit fürchterlichen Sprüngen,
Den Bienenvater zu verschlingen.
Und dumpf ertönt’s wie Geisterstimmen:
„Hans Dralle, kick na dinen Immen!“
Es hebt sich auf die Hintertatzen,
Man hört es an den Wänden kratzen.
Gottlob! Jetzt kehrt es wieder um!
Hans Dralle ist vor Schrecken stumm.
Ihm hängt der Schweiß an jedem Haar,
Bis das Phantom verschwunden war.
Bald drauf sitzt der Eugen zu Haus
Und schleckt den Topf voll Honig aus.
N EUNTES K APITEL
Die Blumen, die Christine pflückte,
Womit sie Knörrje hochbeglückte,
Sie hängen auf dem Fensterbort
Und sind verdorrt.
Herr Knörrje nimmt und legt sie nieder
Und preßt sie in sein Buch der Lieder,
Wo diese treuen Seelen nun
Auf ewig beieinander ruhn.
Vom Kirchenturme tönt es zehn,
Für Knörrje ist es Zeit zum Gehn.
Er eilt aus seiner stillen Klause
Zum Rendezvous beim Bienenhause,
Wo schon Christine harrend weilt
Und ihrem Freund entgegeneilt. –
Doch horch! Was hör ich dort sich regen?
Es ist ein Dieb auf bösen Wegen. –
Der Bienenraub ist sein Gewerbe;
Nur schnell hier in die großen Körbe!!
„Ja“, spricht der Dieb, „da ist’s am besten,
Ich nehme gleich den allergrößten!“
Er packt sich richtig Knörrjen auf
Und eilt davon im Dauerlauf.
„Hoho!“ – schreit Knörrje – „Wart, du Tropf!“
Und stülpt den Korb ihm übern Kopf.
Vergebens sucht er sich zu sträuben,
Er muß im Korbe sitzenbleiben. –
Doch ach! Was muß Christine schaun?!
Der Zottelbär steigt übern Zaun,
Riecht in den Korb, und mit Geblase
Steckt er durchs Spundloch seine Nase.
Hier diesen Pflock, nur flink, nur flink!
Quer durch des Bären Nasenring!
Ja, brülle nur!
Die Nase geht nicht mehr retour! –
So wäar nun alles wohl gelungen;
Die Liebenden stehn fest umschlungen.
Da naht Hans Dralle. – Die Geschichte
Sieht er mit staunendem Gesichte.
Er steht und staunt und wundert sich:
„Ne Kinders, düt verstah eck nich!“
Doch Knörrje, der das Wort genommen,
Erzählt, wie alles so gekommen.
„No ja!“ – spricht Dralle – „Minetwegen!“
Und gibt dem Paare seinen Segen. –
Schon stehn umher voll Schreckensfreude
Des Dorfes wackre Biederleute.
Der Förster will den Bären schießen,
Wenn sie ihn nur zufrieden ließen.
Die Wache naht. – Sie trägt sofort
Den Dieb an einen stillen Ort.
Und auch der Bärenführer kommt
Und nimmt den Bären, welcher brommt.
Der Anton stößt in die Trompete
Und „Vivat!“ schreit die alte Grete;
Und „Vivat!“ schreien sie nun alle,
„Vivat, es lebe unser Dralle!!“
Z EHNTES K APITEL
Die Nacht ist warm, die Menschen träumen,
Und leise flüstert’s in den Bäumen,
Und leise schleicht der Mondenschein
In Dralles Garten sich herein. –
Von seinem Dämmerlicht beschienen,
In Gras und Blüten, summen Bienen.
Die feiern heut bei des Mais Beginn
Das Hochzeitsfest der Königin.
Schon sitzen im hohen Rosensaal
Die Königin und der Prinzgemahl.
Sie winkt – da schießet mit Getos
Der Bombardör den Böller los.
Zing, zing! Traromm! – Und auf der Stelle
Ertönen die Klänge der Hofkapelle.
Die Fliege blus Trompete,
Der Mück Klarinette,
Die Hummel die Trummel,
Der Heuschreck die Geigen;
Das gab fürwahr einen lustigen Reigen. –
Schau! Holzbock, der Lange,
Ist eifrig im Gange
Mit Bienenlieschen
Auf zierlichen Füßehen –
Und da der Kleine
Mit Minchen, dem Bienchen,
Rührt auch die Beine. –
Und seht mir nur das nette Trinchen!
Da macht ja wohl Herr Schröter
Den angenehmen Schwerenöter!
Im Apfelbaum sitzt auch der Mond
Und hat dem Feste beigewohnt. –
Nun waren da auch zwei Maienkäfer,
Recht nette Bübchen,
Doch blöde Schäfer;
Die rauchen und trinken im Nebenstübchen,
Bis daß sie im nassen Grase liegen
Und können nicht mehr nach Hause fliegen.
– Der Wächter Schuhu findet sie.
Er spricht: „Aha, das sind ja die!! –
Schon wieder mal!!“ –
Und bringt sie in sein Wachtlokal.
Der Mond, der auch nicht recht mehr munter,
Hüllt sich in Wolken und geht unter.
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