Wilhelm Tell
sind der Völker dreye. Welchem nun
Gebührt’s, das Haupt zu geben der Gemeinde?
MEIER
Um diese Ehr’ mag Schwytz mit Uri streiten,
Wir Unterwaldner stehen frei zurück.
MELCHTHAL
Wir steh’n zurück, wir sind die Flehenden,
Die Hülfe heischen von den mächtgen Freunden.
STAUFFACHER
So nehme Uri denn das Schwert, sein Banner
Zieht bei den Römerzügen uns voran.
|82| WALTHER FÜRST
Des Schwertes Ehre werde Schwytz zu Theil,
Denn seines Stammes rühmen wir uns alle.
RÖSSELMANN
Den edeln Wettstreit laßt mich freundlich schlichten,
Schwytz soll im Rath, Uri im Felde führen.
WALTHER FÜRST
(reicht dem Stauffacher die Schwerter)
So nehmt!
STAUFFACHER
Nicht mir, dem Alter sei die Ehre.
IM HOFE
Die meisten Jahre zählt Ulrich der Schmidt.
AUF DER MAUER
Der Mann ist wacker, doch nicht freien Stands,
Kein eigner Mann kann Richter seyn in Schwytz.
STAUFFACHER
Steht nicht Herr Reding hier der Altlandammann?
Was suchen wir noch einen würdigern?
|83| WALTHER FÜRST
Er sei der Ammann und des Tages Haupt!
Wer dazu stimmt erhebe seine Hände.
(Alle heben die rechte Hand auf)
REDING
(tritt in die Mitte)
Ich kann die Hand nicht auf die Bücher legen,
So schwör’ ich droben bei den ew’gen Sternen,
Daß ich mich nimmer will vom Recht entfernen.
(Man richtet die zwey Schwerter vor ihm auf, der Ring bildet sich um ihn her, Schwytz hält die Mitte, rechts stellt sich Uri
und links Unterwalden. Er steht auf sein Schlachtschwert gestüzt)
Was ist’s, das die drei Völker des Gebirgs
Hier an des See’s unwirthlichem Gestade
Zusammenführte in der Geisterstunde?
Was soll der Innhalt seyn des neuen Bunds,
Den wir hier unterm Sternenhimmel stiften?
STAUFFACHER
(tritt in den Ring)
Wir stiften keinen neuen Bund, es ist
Ein uralt Bündniß nur von Väter Zeit,
Das wir erneuern! Wisset Eidgenossen!
|84| Ob uns der See, ob uns die Berge scheiden,
Und jedes Volk sich für sich selbst regiert,
So sind wir Eines Stammes doch und Bluts,
Und Eine Heimat ist’s, aus der wir zogen.
WINKELRIED
So ist es wahr, wie’s in den Liedern lautet,
Daß wir von fern her in das Land gewallt?
O theilt’s uns mit, was euch davon bekannt,
Daß sich der neue Bund am alten stärke.
STAUFFACHER
Hört, was die alten Hirten sich erzählen.
– Es war ein großes Volk, hinten im Lande
Nach Mitternacht, das litt von schwerer Theurung.
In dieser Noth beschloß die Landsgemeinde,
Daß je der zehnte Bürger nach dem Loos
Der Väter Land verlasse – das geschah!
Und zogen aus, wehklagend, Männer und Weiber,
Ein großer Heerzug, nach der Mittagsonne,
Mit dem Schwert sich schlagend durch das deutsche Land,
Bis an das Hochland dieser Waldgebirge.
Und eher nicht ermüdete der Zug,
|85| Bis daß sie kamen in das wilde Thal,
Wo jezt die Muotta zwischen Wiesen rinnt –
Nicht Menschenspuren waren hier zu sehen,
Nur eine Hütte stand am Ufer einsam,
Da saß ein Mann, und wartete der Fähre –
Doch heftig wogete der See und war
Nicht fahrbar; da besahen sie das Land
Sich näher und gewahrten schöne Fülle
Des Holzes und entdeckten gute Brunnen,
Und meinten, sich im lieben Vaterland
Zu finden – Da beschlossen sie zu bleiben,
Erbaueten den alten Flecken Schwytz,
Und hatten manchen sauren Tag, den Wald
Mit weitverschlungnen Wurzeln auszuroden –
Drauf als der Boden nicht mehr Gnügen that
Der Zahl des Volks, da zogen sie hinüber
Zum schwarzen Berg, ja bis an’s Weißland hin,
Wo hinter ewgem Eiseswall verborgen,
Ein andres Volk in andern Zungen spricht.
Den Flecken Stanz erbauten sie am Kernwald,
Den Flecken Altorf in dem Thal der Reuß –
|86| Doch blieben sie des Ursprungs stets gedenk,
Aus all den fremden Stämmen, die seitdem
In Mitte ihres Lands sich angesiedelt,
Finden die Schwytzer Männer sich heraus,
Es giebt das Herz, das Blut sich zu erkennen.
(reicht rechts und links die Hand hin)
AUF DER MAUER
Ja wir sind eines Herzens, eines Bluts!
ALLE
(sich die Hände reichend)
Wir sind Ein Volk, und einig wollen wir handeln.
STAUFFACHER
Die andern Völker tragen fremdes Joch,
Sie haben sich dem Sieger unterworfen.
Es leben selbst in unsern Landesmarken
Der Sassen viel, die fremde Pflichten tragen,
Und ihre Knechtschaft erbt auf ihre Kinder.
Doch wir, der alten Schweitzer ächter Stamm,
Wir haben stets die Freiheit uns bewahrt.
Nicht unter Fürsten bogen wir das Knie,
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