Wilhelm Tell
euch.
SIGRIST
Und ihr seid ungerecht.
MEIER
(auffahrend)
Wir ungerecht! Das darf uns Uri bieten!
REDING
Bei eurem Eide! Ruh!
MEIER
Ja, wenn sich Schwytz
Versteht mit Uri, müssen wir wohl schweigen.
REDING
Ich muß euch weisen vor der Landsgemeinde,
Daß ihr mit heftgem Sinn den Frieden stört!
Stehn wir nicht alle für dieselbe Sache?
WINKELRIED
Wenn wirs verschieben bis zum Fest des Herrn
Dann bringts die Sitte mit, daß alle Sassen
Dem Vogt Geschenke bringen auf das Schloß,
So können zehen Männer oder zwölf
Sich unverdächtig in der Burg versammeln,
|99| Die führen heimlich spitzge Eisen mit,
Die man geschwind kann an die Stäbe stecken,
Denn niemand kommt mit Waffen in die Burg.
Zunächst im Wald hält dann der große Haufe,
Und wenn die andern glücklich sich des Thors
Ermächtiget, so wird ein Horn geblasen,
Und jene brechen aus dem Hinterhalt,
So wird das Schloß mit leichter Arbeit unser.
MELCHTHAL
Den Roßberg übernehm ich zu ersteigen,
Denn eine Dirn’ des Schlosses ist mir hold,
Und leicht bethör ich sie, zum nächtlichen
Besuch die schwanke Leiter mir zu reichen,
Bin ich droben erst, zieh ich die Freunde nach.
REDING
Ist’s aller Wille, daß verschoben werde?
(die Mehrheit erhebt die Hand)
STAUFFACHER
(zählt die Stimmen)
Es ist ein Mehr von zwanzig gegen zwölf!
WALTHER FÜRST
Wenn am bestimmten Tag die Burgen fallen,
|100| So geben wir von einem Berg zum andern
Das Zeichen mit dem Rauch, der Landsturm wird
Aufgeboten, schnell, im Hauptort jedes Landes,
Wenn dann die Vögte sehn der Waffen Ernst,
Glaubt mir, sie werden sich des Streits begeben,
Und gern ergreifen friedliches Geleit,
Aus unsern Landesmarken zu entweichen.
STAUFFACHER
Nur mit dem Geßler fürcht ich schweren Stand,
Furchtbar ist er mit Reisigen umgeben,
Nicht ohne Blut räumt er das Feld, ja selbst
Vertrieben bleibt er furchtbar noch dem Land,
Schwer ists und fast gefährlich, ihn zu schonen.
BAUMGARTEN
Wo’s halsgefährlich ist, da stellt mich hin,
Dem Tell verdank ich mein gerettet Leben,
Gern schlag ichs in die Schanze für das Land,
Mein’ Ehr hab ich beschüzt, mein Herz befriedigt.
REDING
Die Zeit bringt Rath. Erwartets in Geduld.
|101| Man muß dem Augenblick auch was vertrauen.
– Doch seht, indeß wir nächtlich hier noch tagen,
Stellt auf den höchsten Bergen schon der Morgen
Die glüh’nde Hochwacht aus – Kommt, laßt uns scheiden,
Eh uns des Tages Leuchten überrascht.
WALTHER FÜRST
Sorgt nicht, die Nacht weicht langsam aus den Thälern.
(Alle haben unwillkührlich die Hüte abgenommen und betrachten mit stiller Sammlung die Morgenröthe)
RÖSSELMANN
Bei diesem Licht, das uns zuerst begrüßt
Von allen Völkern, die tief unter uns
Schwerathmend wohnen in dem Qualm der Städte,
Laßt uns den Eid des neuen Bundes schwören.
– Wir wollen seyn ein einzig Volk von Brüdern,
In keiner Noth uns trennen und Gefahr.
(alle sprechen es nach mit erhobenen drei Fingern)
–
Wir wollen frey seyn wie die Väter waren,
Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.
(wie oben)
|102| – Wir wollen trauen auf den höchsten Gott
Und uns nicht förchten vor der Macht der Menschen.
(wie oben. Die Landleute umarmen einander)
STAUFFACHER
Jezt gehe jeder seines Weges still
Zu seiner Freundschaft und Genoßsame,
Wer Hirt ist, wintre ruhig seine Heerde,
Und werb’ im Stillen Freunde für den Bund,
– Wa s noch bis dahin muß erduldet werden,
Erduldets! Laßt die Rechnung der Tyrannen
Anwachsen, bis Ein Tag die allgemeine
Und die besondre Schuld auf einmal zahlt.
Bezähme jeder die gerechte Wut,
Und spare für das Ganze seine Rache,
Denn Raub begeht am allgemeinen Gut,
Wer selbst sich hilft in seiner eignen Sache.
(Indem sie zu drei verschiednen Seiten in größter Ruhe abgehen, fällt das Orchester mit einem prachtvollen Schwung ein, die
leere Scene bleibt noch eine Zeitlang offen und zeigt das Schauspiel der aufgehenden Sonne über den Eisgebirgen.[)]
DRITTER AUFZUG
ERSTE SCENE
Hof vor
TELLS
Hause. Er ist mit der Zimmeraxt,
HEDWIG
mit einer häußlichen Arbeit beschäftigt.
WALTHER
und
WILHELM
in der Tiefe spielen mit einer kleinen Armbrust.
WALTHER
(singt)
Mit dem Pfeil, dem Bogen,
Durch Gebirg und Thal
Kommt der Schütz gezogen
Früh am Morgenstrahl.
Wie im Reich der Lüfte
König ist der Weih,–
Durch Gebirg und Klüfte
Herrscht der
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