Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
geschieden?«
    Die Frage überrumpelte Will. Offensichtlich sah man es seiner Miene an.
    »Geht mich nichts an, was?« Michael rieb sich den Nacken und schaute noch einmal an dem Gebäude empor. »Mein Vater starb, als ich etwa in ihrem Alter war. Vielleicht ist das der Grund, warum ich mich ein bisschen um sie gekümmert habe.«
    Will war sich nicht sicher, von welchem Mädchen der Mann jetzt redete.
    »Mir ist nur eben durch den Kopf gegangen, dass man als Teenager eine rebellische Ader hat und das umso schlimmer wird, wenn die Eltern sich gerade zu dieser Zeit trennen. Man fängt an, Druck zu machen, nicht? Die Grenzen auszuloten, zu sehen, wie weit man gehen kann, bevor sie einen aufhalten. Meine Mutter hat mich am Kragen aufgehalten, und ich meine jetzt, richtig zurückgerissen. Sie hatte immer ein scharfes Auge auf mich, hat immer mit harter Hand regiert. Die Kinder heutzutage, deren Eltern tun das nicht mehr. Die wollen nicht die Bösen sein.«
    Will fragte: »Cynthia war ein bisschen wilder, als Phil wusste?«
    »Vielleicht ein bisschen wilder, als ich wusste«, gab er zu. »Oder wissen wollte.«
    »Klingt nach einem ehrlich eingestandenen Fehler.«
    Michael lächelte Will an. »Da war damals in der Highschool dieses Mädchen. Gott, war die klasse. Hat mich nicht mal angeschaut. Mein Cousin hat sie sich geangelt. So eine dürre Bohnenstange, kein Haar am Körper außer am Kopf.« Michael warf ihm einen Blick zu. »Sie kennen den Typ?«
    Will nickte, weil das anscheinend von ihm erwartet wurde.
    »Totaler Wichser«, fuhr Michael fort. »Und der kommt bei diesem wunderbaren Mädchen an. Nicht nur das, sie lässt sich sogar von ihm anfassen, lässt ihn ran.« Nun klang sein Lachen anders. »Ich war normalerweise derjenige, der die Bräute abschleppte, wissen Sie. Nicht er.« Er drehte sich zu Will um. »Ich glaube, ich hätte ihr nicht nachrennen sollen.«
    Will war verwirrt. »Jasmine?«
    Michael schaute wieder zum Gebäude. »Ich hätte sie laufen lassen sollen, aber da war diese Sekunde, wo... Kennen Sie das, wenn einem eine Million Gedanken auf einmal durch den Kopf gehen? Ich dachte gerade daran, dass Cynthia gerannt und dann über diesen Zaun gestolpert ist. Ich hätte diesen Zaun schon letztes Jahr reparieren sollen. Ich hätte verdammt noch mal diesen Zaun reparieren müssen.« Er drückte sich die Fäuste an die Augen. »O Gott.«
    Will wusste nicht mehr, wie er reagieren sollte. Noch vor einer Stunde hätte er diesen Mann am liebsten niedergeschlagen, weil er mit Angie geschlafen hatte. Jetzt tat er ihm einfach nur leid.
    Michael fuhr fort: »Genau daran dachte ich, als Jasmine losrannte - dass Cynthia durch unseren Garten rannte. Ich fasste nach ihrem Fuß, um sie aufzuhalten. Sie wissen schon - damit ihr nicht was Ähnliches passiert wie Cynthia.« Er wandte sich wieder Will zu. »Ich glaube, ich nehme mir doch die paar Tage frei, von denen Greer gesprochen hat. Diese Sache nimmt mich mehr mit, als ich dachte. Haben Sie was dagegen?«
    Will überraschte die Frage, aber er verneinte bereitwillig. »Nein. Für mich ist das völlig okay.«
    »Tut mir leid, Sie jetzt einfach so im Stich zu lassen. Ich klinge wie ein verdammtes Weib. Scheiße, ich verhalte mich auch so. Dieses verrückte Gerede eben, wahrscheinlich halten Sie mich für einen Spinner oder so.« Er schüttelte erneut den Kopf. »Ich glaube, mehr als ein paar Tage brauche ich nicht. Nur, um über das alles hinwegzukommen, um zu verarbeiten, was passiert ist.«
    »Ist schon okay«, sagte Will und fühlte sich erleichtert, dass Michael selbst zu diesem Entschluss gekommen war. Jetzt wusste er, dass der Mann sich schon den ganzen Vormittag zusammengerissen hatte. »Tun Sie, was Sie tun müssen.«
    »Aber ich will auf dem Laufenden gehalten werden. Ich muss einfach wissen, was läuft. Hätten Sie was dagegen? Ich will Ihnen nicht auf die Zehen treten, Kumpel. Ich würd's einfach nicht aushalten, von allem abgeschnitten zu sein. Ich bin davon überzeugt, dass Sie dieses Arschloch finden werden, aber ich muss wissen, was in dem Fall passiert.«
    Will war zwar nicht sehr glücklich darüber, aber er sagte trotzdem: »Rufen Sie mich an, wann immer Sie wollen.«
    »Danke«, erwiderte Michael. Will hörte die Erleichterung in der Stimme des anderen, sah die Dankbarkeit in seinem Blick. »Vielen Dank.«

Kapitel 26
    19.22 Uhr
    John war so erschöpft, dass er beinahe seine Haltestelle verpasst hätte. Er sprang vom Sitz hoch und rief: »Moment!«, als

Weitere Kostenlose Bücher