Will Trent 01 - Verstummt
würde.
Leo Donnelly klopfte an Wills Bürotür und öffnete sie gleichzeitig. »Hey, Mann.«
Will schob den Recorder und die Ohrstöpsel in die Schreibtischschublade. »Was gibt's?«
»Haben Sie 'ne Minute Zeit?«
»Klar.«
Leo schloss die Tür und setzte sich auf den Stuhl neben Wills Schreibtisch. Offensichtlich nervös sah er sich im Raum um. »Schönes Büro haben Sie.«
Will schaute sich ebenfalls um und fragte sich, ob der Detective es sarkastisch gemeint hatte. Das Büro war so klein, dass Will eine Schmalseite des Schreibtisches an die Wand geschoben hatte, damit er nicht darüberklettern musste, um hinauszukommen.
Leo starrte aus dem Fenster und rieb sich die Handflächen an seiner billigen Hose. Der Mann schien unter einer Art Schock zu stehen.
Will wiederholte: »Was gibt's?«
»Ich habe gerade mit Greer gesprochen. Er ist mein Chef, okay?«
»Ja.« Will hatte den Lieutenant am Montag kennengelernt, als er ihn bat, am Monroe-Fall mitarbeiten zu dürfen.
Leos Stimme klang ungläubig. »Er hat eben einen Anruf aus DeKalb bekommen. Gina hat einen Antrag auf eine Unterlassungsverfügung gegen Mike gestellt.«
»Gina Ormewood?« Will setzte sich auf. »Was hat sie als Grund angegeben?«
»Ihr zerschlagenes Gesicht.« Leo stützte einen Ellbogen auf den Schreibtisch und legte das Gesicht in die Hand. »Greer hat keine Fotos oder sonst was gesehen, aber der Polizist, der den Antrag entgegennahm, meinte, sie hätte ziemlich übel ausgesehen.«
Der Detective war sichtlich erschüttert. Will hatte schon vermutet, dass Leo bis auf Michael nicht viele Freunde bei der Truppe hatte. Auch wenn er zu einigen eine engere Beziehung haben mochte, seine Freunde ließ man nicht im Stich. Das erklärte aber dennoch nicht, warum er zu Will gekommen war.
Leo rieb sich das Kinn mit dem Daumen. »Mein Alter hat meine Ma auch geschlagen. Musste das als kleiner Junge ziemlich oft mit ansehen.«
»Das tut mir leid.«
»Ich dachte, ich kenne den Kerl«, sagte Leo und meinte nun wieder Ormewood. »Ist schon irgendwie komisch, wissen Sie. Zuerst dachte ich, die Schlampe hätte sich das vielleicht nur ausgedacht, aber dann habe ich Michael angerufen und...« Er unterbrach sich kurz. »Zuerst versuchte er, es mit einem Lachen abzutun, meinte, sie würde ihren Antrag schon wieder zurückziehen, wollte sich nur an ihm rächen, weil er so viel arbeite.« Leos Mundwinkel
zuckten, als würde ihm diese Erklärung nicht recht behagen. Der Mann war schon länger Polizist als Will und hatte diese Ausrede vermutlich schon von vielen prügelnden Ehemännern gehört.
Leo fuhr fort: »Ich habe dann ein bisschen genauer nachgefragt, was denn eigentlich los sei und so. Gina ist ein gutes Mädchen, wissen Sie. Äußerst intelligent. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihn nur zum Spaß so bei den Eiern packt.« Leo warf Will einen Blick zu, sah dann wieder zum Fenster hinaus. »Er hat mir gesagt, ich soll mich um meinen eigenen Scheißdreck kümmern.«
Leo hatte das allem Anschein nach als Schuldeingeständnis verstanden. Will nahm das als Beweis dafür, dass er nur ans Telefon ging, wenn die Anruferkennung ihm sagte, dass es jemand war, mit dem er reden wollte.
»Wie auch immer.« Leo drehte sich wieder zu Will, dabei schlugen seine Knie an den Schreibtisch. Er fluchte und sagte dann: »Ich dachte, ich schau mal vorbei und erzähl Ihnen, was es im Monroe-Fall Neues gibt.« »Gibt es was?«
»Ihr Zuhälter wurde heute Vormittag angeschossen.« »Baby G?«
»Zwei in den Bauch, eine in den Kopf. Die Ärzte sagen, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er stirbt. Keine Hirnaktivität mehr.«
»Hat man den Täter?«
»Zwei Cousins von ihm, beide fünfzehn Jahre alt. Gs Großmutter hat alles von ihrem Wohnzimmerfenster aus beobachtet.« Leo zuckte flüchtig die Achseln. »Sagt aber keinen Ton. Allerdings haben die beiden gestanden, deshalb brauchen wir sie nicht. Trotzdem sollte man meinen, sie würde ein wenig bestürzter über den Tod ihres Enkels sein.«
Will dachte an Cedric. »Wurde sonst noch jemand verletzt?«
»Nein, das war eine Bandengeschichte. Sie behaupteten, G sei ihnen blöd gekommen, habe ihnen nicht den nötigen Respekt erwiesen.« Leo rieb sich wieder das Kinn. »Scheiße, seit wann kann man eigentlich Respekt einfordern, ohne je etwas getan zu haben, um ihn zu verdienen?«
»Sind Sie sicher, dass das nichts mit dem Monroe-Fall zu tun hat?«
»Allem Anschein nach nicht«, sagte Leo. »Die beiden teilen sich
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