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Will Trent 01 - Verstummt

Will Trent 01 - Verstummt

Titel: Will Trent 01 - Verstummt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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wurde am Sonntagabend auf der Treppe zu ihrer Wohnung ermordet.«
    Miriam öffnete den Mund und zog die Luft ein. »Ermordet?«
    »Jemand hat sie umgebracht«, erwiderte Will. »Ich glaube, dass sie den Täter kannte. Ich glaube, dass sie ihm aus ihrer Wohnung ins Treppenhaus folgte,
    und er sie dort verletzte...« Er zögerte. »Er verletzte sie auf eine Art, die zu ihrem Tod führte.«
    »Auf eine Art«, wiederholte Miriam. »Was soll das heißen? Musste sie leiden?«
    Eigentlich sollte er lügen - es schadete ja keinem, wenn man einer Mutter sagte, dass ihr Kind schnell gestorben war -, aber er konnte es nicht. »Ich glaube, kein Mensch kann sagen, ob sie sich bewusst war, was passierte oder nicht. Ich hoffe, sie war nicht...« Er hielt kurz inne. »Ich hoffe, sie hatte so viele Drogen in ihrem Körper, dass sie nichts mitbekam.«
    Plötzlich keuchte sie auf. »Ich habe es in der Zeitung gelesen. In den Grady Homes wurde eine Frau ermordet. Ihr Name wurde nicht genannt, aber... Ich habe nicht gedacht, ich habe nur vermutet, dass...«
    »Tut mir leid«, sagte Will zu der armen Frau und dachte, dass er diese Floskel in den letzten Tagen wohl öfter gebraucht hatte als in seinem ganzen bisherigen Leben. Er zog die Kopie von Aleeshas Brief hervor. »Wir fanden den in ihrem Briefkasten. Er ging zurück, weil er nicht ausreichend frankiert war.«
    Die Mutter griff nach dem Brief wie nach einer Rettungsleine. Tränen rollten ihr über die Wangen, während sie die Zeilen an starrte. Sie hatte ihn wohl ein Dutzend Mal gelesen, bevor sie murmelte: »Die Paria.«
    »Können Sie mir sagen, was sie damit meinte?«
    Miriam hielt den Brief mit zitternden Händen im Schoß. »Da gab es dieses Haus auf der anderen Straßenseite - nur drei Türen und doch eine Welt entfernt.« Sie starrte zum Fenster hinaus, als könnte sie es sehen. »Wir waren damals die einzige schwarze Familie in der Nachbarschaft. Tobias und ich lachten, wenn die Leute sagten: >Jetzt geht's bergab mit dem Vierteh, hatten sie doch den Teufel bereits in ihrem Hinterhof.«
    »Lebt die Familie noch dort?«
    Sie schüttelte den Kopf. »In diesem Haus wohnten ungefähr zehn verschiedene Familien, seit die Carsons ausgezogen sind. Es wurde umgebaut und erweitert, wurde in einen richtigen Palast verwandelt, aber damals war es nur ein kleines Haus, in dem schlimme Dinge passierten. In jedem Viertel gibt es so was, nicht? Dieses eine schlimme Haus mit einem schlimmen Kind.«
    Sie schaute wieder aus dem Fenster. »Jedes Wochenende Partys. Autos, die die Straße rauf- und runterrasten. Der Junge war Gift für jeden, mit dem er in Kontakt kam. Wir nannten ihn den Paria der Paisley Street.«
    Will dachte an den Brief, daran, dass Aleesha sich selbst als Paria bezeichnet hatte.
    Miriam fuhr fort: »Seine Mutter war nie zu Hause. Sie werden es kaum glauben, aber sie war Anwältin.« Sie wandte sich wieder Will zu. »Ich schätze, ich könnte ihr die Schuld geben, aber Tatsache ist, dass sie ebenso unfähig war, ihren Sohn zu kontrollieren wie wir unsere Tochter.«
    »Aleesha ist mit diesem Jungen durchgebrannt?«
    »Nein«, antwortete Miriam. »Sie brannte mit einem Neun-unddreißigjährigen namens Marcus Keith durch. Er war einer der Berater in ihrem Therapieprogramm. Später fanden wir heraus, dass er bereits wegen Verführung Minderjähriger gesessen hatte.« Sie lachte humorlos auf. »Eigentlich könnte man in jedes Gefängnis Amerikas Drehtüren einbauen.«
    Will versuchte, die Sache behutsam anzugehen. »In dem Brief scheint sie Ihnen für irgendetwas die Schuld zu geben.«
    Miriam lächelte schmallippig. »Als Aleesha elf Jahre alt war, verließ ich die Familie. Es gab da einen Mann. Wie die Mutter, so die Tochter, vermute ich.« Sie hielt den Brief in die Höhe. »Oder >die Sünden der Eltern<, wie meine Tochter es so elegant formulierte.«
    »Offensichtlich sind Sie zurückgekehrt.«
    »Tobias und ich versöhnten uns wieder, aber danach war es für lange Zeit ziemlich schwierig. Aleesha ging in dem Durcheinander irgendwie unter, und dann ließ sie sich mit diesem Jungen von gegenüber ein.« Sie zog ein kleines Kreuz aus ihrem Kragen, das an einer Goldkette um den Hals hing.
    Will griff in die Tasche und holte das Kreuz aus Aleeshas Brief. »Wir haben auch das da gefunden.«
    Miriam sah das Kreuz an, nahm es aber nicht. »Alle meine Kinder haben so eins.«
    Er beschloss, ihr nicht zu sagen, dass Aleesha es ihr hatte zurückschicken wollen. Der Brief war schon schlimm

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