Will Trent 02 - Entsetzen
war. Glauben Sie noch immer, dass Emma Campano in die Sache verwickelt sein könnte?«
»Irgendwas passt da nicht«, erwiderte Will. »Der Schauplatz war zu chaotisch.«
»Charlie sagt, anhand der Blutspuren und der Schuhabdrücke glaubt er, dass während der Zeit des Verbrechens vier Personen im Haus waren.«
»Ich weiß.«
Amanda sprach einen weiteren Punkt an, den er erst noch überdenken musste. »Wenn man auf junge Mädchen steht, dann lässt man nicht eines tot am Tatort zurück. Man nimmt sie beide mit.«
»Kayla war eine Kämpferin. Vielleicht wollte sie sich nicht so einfach fügen.«
Amanda hob die Hände. »Wir können uns jetzt den ganzen Vormittag im Kreis drehen und kommen nirgendwohin. Ich habe mir den Lebensbeweis in dem gestrigen Anruf angehört. Das Mädchen klang völlig verängstigt. Nicht verängstigt, wie man es in Filmen hört, nicht nachgemacht, nicht verängstigt im Sinne von: Ich glaube, so sollte ich klingen, wenn ich versuche, verängstigt zu klingen. Sie machte die Art von Geräuschen, die man nur macht, wenn man weiß, dass man bald sterben wird.«
Will ließ diese Einschätzung auf sich wirken. Amanda hatte recht. Sie beide hatten echte Angst schon öfter gehört - öfter, als es ihnen lieb war. Emma Campano hatte nicht geschauspielert. Ihre Stimme zitterte beängstigend, ihr Atem ging hart und rau. So etwas konnte man nicht spielen. Absolutes Entsetzen war eine Geheimsprache, die man nur durch Erfahrung lernte.
Will fragte: »Gab es irgendwelche Hintergrundgeräusche auf Emmas Teil des Bands?«
»Man hat mir gesagt, es dauert mindestens bis Mittag, bis sie etwas Substanzielles haben. Vorläufig wurde Verkehrslärm identifiziert und das Bellen eines Hundes. Das Mädchen war in einem geschlossenen Raum, als ihre Stimme aufgenommen wurde.«
»Also fuhr er mit ihr irgendwohin, zerrte sie aus dem Auto und machte die Aufnahme.«
»Das sagt uns, dass die Lösegeldforderung kein nachträglicher Einfall war. Wir wissen beide, wie solche Kerle ticken. Sie werden erregt, sie schnappen sich das Mädchen, sie vergewaltigen sie, sie töten sie, und erst dann machen sie sich einen Plan. Das hier wurde von Anfang an durchdacht. Bevor er dieses Haus betrat, kaufte er sich ein Seil und Isolierband und suchte sich ein Messer. Und zuvor hatte er sich einen Ort ausgesucht, wohin er sie bringen konnte.«
»Wenn ich optimistischer wäre, würde ich sagen, das beweist, dass sie noch am Leben ist.«
»Das war gestern«, gab Amanda zu bedenken. »Was heute ist, werden wir in gut zweieinhalb Stunden erfahren.«
»Konnte das Labor schon irgendwas über die Stimme des Kidnappers sagen?«
»Sie hatten recht damit, dass er über Computer eine Bandaufnahme gemacht und die dann über Telefon abgespielt hat.« Sie las aus ihren Notizen vor: »Das VoiceOver-Programm ist ein Standardfeature der allgemein zugänglichen Apple-Macintosh-Software.« Sie schaute von ihren Notizen hoch. »Das schränkt den Kreis unserer Verdächtigen auf ein paar Millionen arrogante Besitzer von Apple-Computern ein. Die Stimme, die sich der Anrufer ausgesucht hat, heißt Bahh.«
»Kayla Alexanders Eltern sollten inzwischen ...«
»Sie sind wieder zu Hause. Und ohne Anwalt machen Sie gefälligst einen großen Bogen um sie.«
»Warum?«
»Sie haben die Westfield Academy, die Campanos und das Atlanta Police Department verklagt. Und ich bin mir sicher, sobald sie herausfinden, dass wir an dem Fall dran sind, hängen sie auch uns einen Prozess an.«
»Mit welcher Begründung?«
»Die Schule konnte nicht verhindern, dass das Mädchen den Campus verließ, die Campanos konnten den Tod des Mädchens nicht verhindern, und die Polizei konnte trotz Lageplan den eigenen Arsch nicht finden.«
Caroline rief aus ihrem Büro: »Evan Bernard auf Leitung drei.«
Will sagte zu Amanda: »Bitte lassen Sie mich das übernehmen.«
»Wollen Sie versuchen, sich selbst reinzuwaschen?«
»Ich will nur versuchen, den Mann nicht zu verärgern, der uns helfen will.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich.« Sie drückte auf den Lautsprechknopf. »Mr. Bernard, hier spricht Amanda Wagner. Ich bin Deputy Director des Special Criminal Apprehension Teams, der Sondereinheit zur Verbrechensfrüherkennung und -bekämpfung. Hier bei mir ist Agent Will Trent. Vielen herzlichen Dank, dass Sie heute Vormittag bereit sind, uns zu helfen.«
»Kein Problem«, antwortete er. »Der Polizist, den Sie geschickt haben, kam mit Blaulicht und Sirene bis vor meine Tür.«
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