Will Trent 02 - Entsetzen
Er kicherte gequält. »Ich muss zugeben, das war etwas beunruhigend.«
Amanda lächelte ihr großmütterliches Lächeln. »Betrachten Sie es als Anreiz, sich nichts zuschulden kommen zu lassen.«
Will schüttelte den Kopf über das Schweigen am anderen Ende der Leitung. Er übernahm das Gespräch. »Mr. Bernard, können Sie uns sagen, welchen Eindruck Sie von den Textnachrichten haben?«
»Ich muss zugeben, ich finde sie merkwürdig.«
»Können Sie erklären, warum?«
»Der erste Satz, den ich als >sie gehört zu mir< lese, passt einfach nicht. Ich habe Ihnen gestern gesagt, dass jeder Legastheniker anders ist, und vielleicht sollten Sie besser mit einem linguistischen Spezialisten für regionale Dialekte und dergleichen sprechen, aber meiner Meinung nach haben Sie es mit einem phonetischen Schreiber, keinem Legastheniker zu tun.«
Will fragte: »Wie können Sie da so sicher sein?«
»Na ja, sicher bin ich mir eben nicht.« Er räusperte sich. »Ich kann lediglich aus meiner eigenen Erfahrung sprechen. Bei einem Legastheniker würde man erwarten, dass die Buchstaben verdreht sind, die Wörter nicht einfach nur falsch geschrieben oder zusammengezogen sind. Emma, zum Beispiel, verdrehte ständig das >i< und das >1< in Hilfe, sie schrieb >Hlife<.«
Amanda versuchte gar nicht erst, ihre Ungeduld zu verbergen. »Was ist mit den anderen?«
»Der zweite Zettel mit dem Wort >Schänder< ist natürlich korrekt, wobei man hier auch >Schender< erwarten könnte. Vielleicht hat der Verfasser eine Computer-Rechtschreibprüfung verwendet. Nun der dritte Satz >las sie in Ruk< für >lass sie in Ruh< - und ich möchte hier noch einmal betonen, dass jeder Betroffene anders ist -, aber das >Ruk< erscheint mir merkwürdig. Bei klassischen Fällen würde man hier nicht erwarten, ein >k< zu finden. Das ist ein schwieriger Buchstabe, wie ich das nennen würde, was bedeutet, dass er innerhalb eines Wortes einen deutlich abgegrenzten Klang hat. Man sieht häufig, dass >k< anstelle von >ck< oder >g< verwendet wird, aber ohne Grund wird es eigentlich nirgendwo angehängt.« Wieder räusperte er sich. »Und auch das >las< ist für mich bezeichnend.«
Will hatte zwar Schwierigkeiten, den Argumenten zu folgen, aber er fragte trotzdem: »Warum?«
»Weil das im Grunde genommen eine phonetische Schreibweise ist. Der Schreiber hat sich rein vom Klang des Wortes leiten lassen. Bei einem Legastheniker würde man hier eine Buchstabendrehung, also etwa >als< oder >lsa< erwarten.«
»Und, was ist nun Ihre Meinung? Versucht da jemand, den Legastheniker zu spielen, oder hat derjenige wirklich eine Störung?«
»Nun ja ...« Der Mann zögerte. »Ich bin kein Arzt. Ich bin Leselehrer. Aber wenn Sie mir eine Waffe an den Kopf halten, würde ich sagen, Sie haben es mit dem Werk eines Erwachsenen mit vermutlich durchschnittlicher Intelligenz zu tun, der nie richtig schreiben und lesen gelernt hat. Mit jemandem also, um auf das >Ruk< zurückzukommen, der zum Beispiel durchaus die Zeichen >k< und >h< verwechseln kann.«
Will schaute zu Amanda und sah, dass sie ihn ebenfalls anstarrte. Sie waren es beide nicht gewohnt, direkte Antworten zu erhalten. Nur um der Klarheit willen fragte Will nach: »Sie glauben also nicht, dass diese Person irgendeine krankhafte Schreib- und Leseschwäche hat?«
»Sie haben nach meiner ehrlichen Meinung gefragt, und ich habe sie Ihnen gesagt. Ich würde sagen, die Person, die diese Briefe schrieb, hat nie richtig lesen oder schreiben gelernt. Ihre Fähigkeiten bewegen sich bestenfalls auf dem Niveau der zweiten oder dritten Klasse.«
Amanda war offensichtlich skeptisch. »Wie ist so etwas möglich?«
»Ich sah das ziemlich häufig, als ich noch im öffentlichen Schulsystem unterrichtete. Kinder mit allen möglichen Leseproblemen können durch die Maschen schlüpfen. Man versucht, ihnen zu helfen, aber im Grunde genommen kann man nichts machen. Das ist einer der Gründe, warum ich auf die Westfield gewechselt habe.«
Im Hintergrund hörte man die Schulglocke.
Bernard sagte: »Tut mir leid, aber ich muss jetzt zum Unterricht. Ich kann Sie zu jemandem durchstellen, falls Sie ...«
»Das ist schon okay«, entgegnete Will. »Vielen Dank, dass Sie Zeit für uns hatten. Wenn Sie bitte diese Unterlagen dem Beamten zurückgeben könnten, der sie Ihnen gebracht hat.«
»Natürlich. Bitte rufen Sie mich an, wenn sich noch etwas ergibt. Ich wäre Ihnen sehr gerne eine größere Hilfe gewesen.«
»Sie haben uns bereits sehr
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