Will Trent 02 - Entsetzen
sich.«
Seine aufrichtige Zerknirschung nahm ihr etwas von ihrer Wut. Sie setzte sich. »Das ist lächerlich.«
»Sagen Sie mir einfach, was Sie wollen.«
»Wir müssen meine Position in diesem Fall definieren.« Er schien noch immer nicht zu verstehen, was sie meinte, deshalb nannte sie ihm einige Optionen. »Bin ich noch lediglich Ihr Lakai oder Ihre Schulsprecherin oder Ihre Chauffeurin oder ...«
Aus dem Nachbarbüro ertönte ein lauter Knall, dann Gelächter. Telefone klingelten. Die Tagschicht traf langsam ein. Will schien das ebenso zu bemerken wie Faith. Er drückte sich an seinem Tisch vorbei und schloss die Tür.
Erst als er wieder saß, sagte er zu ihr: »Wir bearbeiten diesen Fall gemeinsam.«
»Warum sagen Sie mir dann so vieles nicht?«
»Ich dachte nur ...« Er klang noch immer verwirrt. »Ich dachte, Sie könnten den zusätzlichen Schlaf gut gebrauchen. Die Pressekonferenz war nur Spiegelfechterei. Es gab keinen Grund, warum wir uns das beide hätten antun sollen.«
Faith fielen alle möglichen Gründe ein - eine Chance, noch einmal mit Abigail Campano zu reden, zu sehen, wie Mutter und Vater miteinander umgingen, die Gelegenheit, herauszufinden, was die Reporter auf eigene Faust ermittelt hatten, oder einfach nur die schlichte, verdammte Höflichkeit, in einen Fall mit einbezogen zu werden, dem sie die letzten drei Tage ihres Lebens gewidmet hatte.
Will schaute auf seinen Schreibtisch hinunter, aber Faith war lang genug Mutter eines Teenager-Jungen, um ein schlechtes Gewissen zu erkennen.
Sie fragte: »Was sonst noch?« Als er nicht antwortete, machte sie weiter. »Ich weiß, dass da noch was ist, Will. Also bitte, sagen Sie es mir.«
Seine Stimme wurde düster. »Das wird Ihnen wirklich nicht gefallen.«
Faith wartete. Sie konnte die Unterhaltung im Nachbarbüro deutlich hören - Bullengerede, jemand prahlte, dass er einem Verhafteten in die Kniekehlen getreten habe.
Will sagte: »Ich habe heute Morgen mit Evan Bernard gesprochen.«
»Allein?«
»Mit Amanda.«
Faith musste das erst einmal schlucken. War es Amanda, die ihr nicht traute? Es wäre typisch für die ältere Frau, dass sie ihre eigenen Entscheidungen traf und es dann Will überließ, die Scherben hinter ihr zusammenzukehren. War Faith auf die falsche Person sauer? Andererseits, falls das der Fall war, warum sagte ihr Will das dann nicht?
Sie rieb sich die Augen. Sie war zu müde, um durch all diese Schichten der Täuschung hindurchzusehen. »Was hat er gesagt?«
»Seiner Meinung nach haben wir es mit einem fast analphabetischen Erwachsenen zu tun, nicht mit jemandem mit einer Lernstörung.«
Faith fand diesen Sprung außergewöhnlich. »Und das hat er aus diesen drei Zetteln herausgelesen?«
»Ich sage Ihnen nur, was er gesagt hat.«
»Wie kommt jemand durch die Schule, ohne lesen und schreiben zu lernen.«
»So was passiert«, sagte er und rieb sich das Kinn.
Faith fühlte sich nun noch mehr brüskiert. Die Pressekonferenz war eine Sache, aber an Evan Bernard hatte sie einige wirklich wichtige Fragen, davon die Wichtigste: Wie konnte er anhand von drei kurzen Sätzen so sicher sein, dass sie es mit einem Menschen zu tun hatten, der eine Lernstörung oder auch nicht hatte, und nicht mit einem völlig normalen Menschen, der nur versuchte, seine Spuren zu verwischen?
Will sagte: »Das Labor ruft uns an, sobald Gordon Chew da ist. Er ist der Fingerabdruckexperte.«
»Warum haben Sie nicht einen von unseren Jungs beauftragt?«
»Man hat nur ganz wenige Chancen, Papier chemisch zu bearbeiten. Wenn auf diesen Briefen ein Fingerabdruck ist, wird Gordon ihn finden.« Will tippte auf die Tastatur seines Computers, um ihn zu aktivieren. Er fing an, etwas zu lesen, wahrscheinlich seine E-Mails. »Haben Sie mit diesem Röhrchen irgendwas gemacht?«
Sie war sich bewusst, dass Schall in beide Richtungen wanderte. »Ich habe es in die richtigen Hände gegeben.«
Er hielt den Blick auf den Computer gerichtet, bewegte die Maus und klickte. Sie wusste nicht, ob er schmollte oder Angst hatte, wieder einmal das Falsche zu sagen. Wie üblich war das Thema, was er nun anschnitt, das Letzte, was sie erwartet hätte. »Ich musste mir letztes Jahr eine Wurzelbehandlung machen lassen. Sie haben Glück, dass sie beim APD sind. Der zahnärztliche Versorgungsplan des GBI ist beschissen. Ich musste fünfzehnhundert Dollar aus eigener Tasche bezahlen.«
Faith machte ein mitfühlendes Geräusch, aber am liebsten hätte sie ihm die Tastatur
Weitere Kostenlose Bücher