Will Trent 02 - Entsetzen
zu wechseln, weil er wusste, dass wir nach dem Prius suchen würden.«
»Wir haben den ganzen Nachmittag nach dem falschen Auto gesucht.«
Amanda sagte: »Charlie soll das Band nach Quantico schicken.« Sie meinte damit das FBI-Labor in Virginia. »Ich bin mir sicher, die haben dort einen Spezialisten für die vorderen Seitenbleche der verschiedenen Automarken.«
Will ließ das Band aus dem Rekorder schnellen. Der Bildschirm flackerte kurz und zeigte dann wieder den Prius. Charlie kniete davor und suchte den Boden auf der Fahrerseite ab. Die Zeitanzeige sprang auf 20:41:52.
Das sah auch Amanda. »Wir haben noch einmal dreißig Minuten verloren.«
Auf der Fahrt zurück zur City Hall war Amanda ungewöhnlich schweigsam. Will ging bereits zu seinem Auto, als sie ihm noch nachrief: »Morgen haben wir schon mehr Informationen.« Sie meinte die Ergebnisse der Forensik. Das Labor machte Überstunden, um all die Materialien zu bearbeiten. Amanda wusste, dass Will alles getan hatte, was er tun konnte. Sie beide wussten, dass es nicht genug war.
Will fuhr ziellos die North Avenue entlang, so in Gedanken versunken, dass er seine Abzweigung verpasste. Er wohnte weniger als fünf Minuten von der City Hall East entfernt, aber in letzter Zeit wünschte er sich, die Entfernung wäre größer. Seit seinem achtzehnten Lebensjahr hatte er allein gelebt, und er war es gewöhnt, viel Zeit für sich selbst zu haben. Zu Angie nach Hause zu kommen, war eine große Umstellung. Vor allem an Abenden wie heute, wenn Will so in einen Fall vertieft war, dass ihm der Kopf schwirrte, sehnte er sich nach Alleinsein, um einfach nur dasitzen und nachdenken zu können.
Er zermarterte sich das Hirn nach irgendetwas Positivem, das sie heute geschafft hatten. Immerhin hatten sie Kayla Alexanders Eltern erreicht. Wegen des Zeitunterschieds zu Neuseeland würden sie einen ganzen Tag in der Luft verlieren. Immerhin hatte Leo Donnelly es geschafft, eine Sache richtig zu machen. Na ja, zwei, wenn man sein plötzliches Ausscheiden aus medizinischen Gründen mit dazurechnete. Will vermutete, dass es immer noch besser war, sich durch eine Notoperation die Prostata herausnehmen zu lassen, als Amanda Wagner unter die Augen zu treten, wobei beides das Risiko einer Kastration in sich barg.
Will parkte auf der Straße, weil Angies Monte Carlo die Auffahrt versperrte. Die Mülltonne stand noch am Bordstein, also schleifte er sie zur Garage hoch. Der Bewegungsmelder sprang an, das grelle Licht blendete ihn. Will hob schützend die Hand vor die Augen, als er die Haustür aufschloss.
»Hey«, sagte Angie. In Baumwoll-Boxershorts und einem Tank Top lag sie auf der Couch und schaute fern. Sie nahm den Blick nicht vom Bildschirm, während er den seinen über ihre nackten Beine wandern ließ. Am liebsten hätte er sich dazugelegt, um neben ihr einzuschlafen, oder vielleicht auch etwas anderes. Aber so funktionierte ihre Beziehung nicht. Angie war noch nie der mütterliche Typ gewesen, und Will war krankhaft unfähig, um etwas zu bitten, das er brauchte. Als sie sich damals im Kinderheim kennenlernten, hatte sie ihn auf den Kopf geschlagen und gesagt, er solle aufhören zu glotzen. Will war acht, und Angie war elf Jahre alt. Seitdem hatte sich ihre Beziehung nicht sehr verändert.
Er legte seine Schlüssel auf den Tisch neben der Tür und stellte dabei unabsichtlich eine Liste der Dinge auf, die sie heute in seiner Abwesenheit bewegt oder durcheinandergebracht hatte. Ihre Handtasche lag auf dem Flipper, Frauenkram quoll heraus. Ihre Schuhe lagen unter der Klavierbank neben denen von gestern und vorgestern. Die Blumen auf der Veranda waren angeknabbert, aber das konnte Will Angie kaum vorwerfen. Betty, sein Hund, hatte in letzter Zeit eine Vorliebe für Gänseblümchen entwickelt. So fanden sie alle drei ihre eigene, aggressiv-passive Art, gegen die neue Situation zu rebellieren.
Er fragte: »Bringen sie noch immer den Levi Alert?«
Angie stellte den Fernseher leise und wandte nun endlich ihm ihre Aufmerksamkeit zu. »Ja. Irgendwelche Spuren?«
Er schüttelte den Kopf, nahm seine Waffe ab und legte sie neben die Schlüssel. »Woher weißt du, dass es mein Fall ist?«
»Ich habe in der Zentrale angerufen.«
Will wunderte sich, warum sie nicht direkt bei ihm angerufen hatte. Doch er war zu müde, um sie danach zu fragen. »Läuft was Gutes im Fernsehen?«
»Drei Frauen sind zwei zu viel.«
»Worum geht's?«
»Um Schiffsbau.«
Will spürte beinahe Panik in sich
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