Will Trent 02 - Entsetzen
gesagt?«
»Nur um Konversation zu machen.«
»Ziemlich merkwürdige Konversation.«
Er versuchte, sie zu küssen, aber sie drehte den Kopf weg.
»Na komm«, stichelte sie. »Sag mir, warum du das gesagt hast.«
Er zuckte die Achseln. »Ohne Grund.«
»Willst du mir damit sagen, dass du Kinder willst?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Was - willst du adoptieren?«
Sie setzte sich auf und legte die Hände in den Schoß. Er kannte sie schon fast sein ganzes Leben lang. In dieser ganzen Zeit hatte es auf eine direkte Frage nie eine direkte Antwort gegeben, und er wusste, das würde sich in nächster Zukunft auch nicht ändern.
»Kannst du dich noch an die Doors erinnern?«, fragte sie. Sie meinte nicht die Band. Als sie aufwuchsen, gab es gewisse Kinder, die im staatlichen Fürsorgesystem so häufig aus und ein gingen, dass es den Anschein hatte, als wäre das Kinderheim eine Drehtür für sie. Sie brachte ihre Lippen dicht an sein Ohr. »Auch wenn du selbst ertrinkst, hörst du nicht auf, anderen das Schwimmen beizubringen.«
»Na komm.« Er klopfte ihr aufs Bein. »Ich muss Betty noch rausbringen und morgen sehr früh aufstehen.«
Angie konnte es nur schwer ertragen, wenn sie nicht bekam, was sie wollte. »Kannst du keine zweiunddreißig Sekunden für mich erübrigen.«
»Du lässt ein neues Glas Mayonnaise offen auf der Anrichte stehen, und du erwartest ein Vorspiel?«
Sie lächelte, weil sie das als Einladung verstand.
»Weißt du«, sagte er, »du wohnst jetzt seit zweieinhalb Wochen hier, und die einzigen Stellen, wo wir in diesem Haus Sex hatten, sind dieser Sessel und diese Couch.«
»Du weißt aber schon, dass du so ziemlich der einzige Mann auf der Welt bist, der sich über so etwas beschweren würde?«
»Ich beuge mich deiner umfangreichen Marktforschung.«
Ihre Mundwinkel hoben sich, aber sie lächelte nicht. »So wird's wohl auch bleiben, was?«
»Hast du den Immobilienmakler angerufen?«
»Steht auf meiner Liste«, erwiderte sie, aber sie beide wussten, dass sie ihr Haus in nächster Zeit noch nicht zum Verkauf anbieten würde.
Will hatte nicht die Kraft, dieses Gespräch fortzusetzen. »Angie, komm. Lieber nicht.«
Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und machte etwas extrem Wirkungsvolles mit ihren Hüften. Will kam sich vor wie ein Versuchskaninchen, sie schaute auf ihn herab, beobachtete jede seiner Bewegungen, stellte ihren Rhythmus auf seine Reaktionen ein. Er versuchte, sie zu küssen, doch sie drehte immer wieder den Kopf weg. Ihre Hand wanderte in ihre Shorts, und er spürte den Druck ihrer Fingerrücken auf sich, während sie sich streichelte. Wills Herz fing an zu pochen, als er sah, wie ihre Augen sich schlossen, die Zungenspitze zwischen ihren Lippen hervorschoss. Als sie schließlich die Hand umdrehte und ihn damit bearbeitete, wäre er beinahe gekommen.
»Bist du noch immer müde?«, fragte sie. »Willst du, dass ich aufhöre?«
Will wollte nicht reden. Er hob sie in die Höhe und drückte sie auf den Couchtisch. Als er in sie stieß, war sein letzter Gedanke: wenigstens nicht auf der Couch oder auf dem Sessel.
Will hob Betty hoch, drückte sie sich an die Brust und fing an, die Straße entlangzujoggen. Sie legte das Gesicht an seinen Hals und hechelte fröhlich, während sie die Nachbarschaft verließen. Er lief, bis er die Lichter der Ponce de Leon sehen konnte. Obwohl Betty protestierte, stellte er sie auf den Bürgersteig und ließ sie den Rest des Weges bis zum Drogeriemarkt laufen.
Um zwei Uhr in der Früh war der Laden erstaunlich voll. Will nahm sich einen Korb und ging in den hinteren Teil des Ladens, weil er vermutete, dass er das, was er suchte, in der Nähe der Apothekenabteilung finden würde. Er ging zwei Gänge ab, bis er die richtige Abteilung gefunden hatte.
Will betrachtete die Schachteln, doch die Buchstaben verschwammen ihm vor den Augen. Zahlen konnte er entziffern, aber mit dem Lesen haperte es. Es hatte schon früh einen Lehrer gegeben, der auf Legasthenie getippt hatte, aber Will war nie wirklich untersucht worden, und deshalb konnte man nicht sagen, ob er eine Störung hatte oder einfach nur saublöd war - worauf sich seine Lehrer letztendlich einigten. Er wusste nur eines sicher: Geschriebene Wörter blieben sein Feind, so sehr er sich auch bemühte. Die Buchstaben tauschten die Plätze und sprangen auf der Seite herum. Auf dem Weg von den Augen zum Hirn verloren sie ihre Bedeutung. Sie drehten sich um und verschwanden manchmal
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