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Will Trent 02 - Entsetzen

Will Trent 02 - Entsetzen

Titel: Will Trent 02 - Entsetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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vertraute Zurückhaltung, eine Gleichgesinntheit. Später an diesem Abend würde sie im Hotel sein, vielleicht unter der Dusche oder auf dem Bett sitzend, während ihr Ehemann einen Spaziergang machte, und dann würde sie diesen jetzigen Augenblick auf sich einstürzen lassen. Dann würde sie wieder hier sein vor diesem Fenster und ihren toten Sohn anschauen. Sie würde spüren, wie ihr Lebensmut ihren Körper verlässt, und wissen, dass er vielleicht nie mehr zurückkehrt.
    Im Augenblick sagte sie nur: »Vielen Dank, Agent Trent«, und gab ihm die Hand.
    Als er sie den Gang wieder hinunterführte, fragte er sie nach dem Hotel, in dem sie übernachteten, und gab ihnen Tipps für Restaurants zum Abendessen. Will war sich bewusst, wie töricht dieser Small Talk klang, aber er wusste auch, dass Ablenkung ihnen helfen würde, den Weg aus diesem Gebäude zu finden, und ihnen die Kraft geben würde, ihr Kind hier an diesem dunklen, kalten Ort zurückzulassen.
    Am Flughafen hatten sie ein Auto gemietet, und Will begleitete sie bis zum Parkhaus. Durch die Glasscheibe in der Tür sah er, dass Gail Humphrey taumelte. Ihr Mann fasste sie am Arm, doch sie riss sich los. Er versuchte es noch einmal, und sie schlug nach ihm und schrie, bis er die Arme um sie schlang, um sie zu besänftigen.
    Will wandte sich ab, weil er sich vorkam wie ein Eindringling. Er stieg die Treppe die sechs Stockwerke zu seinem Büro hoch. Um halb neun war bis auf die Notbesetzung so gut wie jeder bereits nach Hause gegangen. Das Licht war abgeschaltet, aber seinen Weg hätte er auch ohne den schwachen Schein der Notausgangschilder gefunden. Will hatte ein Eckbüro, was eindrucksvoll hätte sein können, wenn es nicht diese spezielle Ecke wäre. Die Aussicht reduzierte sich auf den Baumarkt auf der anderen Straßenseite und die alte Ford-Fabrik nebenan, die man in Wohnblöcke umgewandelt hatte. Manchmal redete er sich ein, dass die aufgegebene Schienenstrecke mit ihrem Unkraut und den weggeworfenen Injektionsspritzen fast aussah wie ein Park, aber Tagträume funktionierten eben nur tagsüber.
    Will schaltete seine Schreibtischlampe ein und setzte sich. An Tagen wie diesen hasste er diese späten Abendstunden, denn er konnte nichts mehr tun, außer Papierkram zu erledigen, während er darauf wartete, dass andere ihm Informationen brachten. In Tennessee gab es einen Experten, dessen Spezialgebiet das Aufspüren und Sichern von Fingerabdrücken auf Papier war. Papier war kniffelig, und man hatte nur ein paar Versuche, bevor der Arbeitsprozess selbst alles ruinierte. Der Mann wollte gleich morgen früh hierherkommen, um sich die Drohbriefe anzusehen. Die Aufnahme des Lösegeldanrufs wurde von einem Boten ins Phonetikinstitut der University of Georgia gebracht, aber der Professor hatte sie vorgewarnt, dass es viele Stunden dauern würde, sämtliche Töne und Geräusche zu bearbeiten. Charlie machte im Labor Überstunden, um all die Indizien auszuwerten, die sie gesammelt hatten. Die Hinweise von der Hotline wurden abgearbeitet, Beamte quälten sich durch den Wust der Witzbolde und Spinner auf der Suche nach einem Hinweis, der sie wirklich weiterbrachte.
    Will musste über das alles Berichte anfertigen, aber anstatt sich an seinen Schreibtisch zu setzen, lehnte er sich zurück und starrte sein verschwommenes Spiegelbild im dunklen Fenster an. Es waren nun schon bald sechsunddreißig Stunden, seit Abigail nach Hause gekommen war, um ihr Leben in ein Chaos verwandelt zu sehen. Zwei Menschen waren tot. Ein Mädchen wurde noch immer vermisst. Und noch war kein einziger Verdächtiger in Sicht.
    Die Lösegeldforderung verstand er nicht. Will war kein Anfänger. Er hatte schon öfter Entführungsfälle bearbeitet, und er hatte auch schon öfter Verschleppungsfälle bearbeitet. Für beide Arten gab es Grundannahmen. Entführer wollten Geld. Verschlepper wollten Sex. Er konnte die brutale Art, wie Kayla Alexander ermordet worden war, nicht mit dem Anruf in Einklang bringen, bei dem heute Morgen eine Million Dollar Lösegeld verlangt worden war. Es passte einfach nicht zusammen.
    Dann war da der Streit zwischen Abigail und Paul Campano. Angie hatte recht gehabt: Paul betrog seine Frau. Offensichtlich mochte er junge Blondinen, aber gehörten dazu auch seine eigene Tochter und möglicherweise Kayla Alexander? Amanda hatte Will befohlen, sich die DNS des Mannes zu beschaffen. Vielleicht hatte auch sie recht. Dazu kam noch Faith, die es geschafft hatte, Gabriel Cohen zum

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