Wille zur Macht
schien ein Politaktivist zu sein, aber kein Verbrecher. Wahrscheinlich werden die Ergebnisse der Arbeit von Harald Strehlow diese Annahme noch deutlicher unterstreichen, sagte er sich. Er griff wieder zum Telephon und rief eine der unverfänglichen Nummern an. Es nahm am anderen Ende aber niemand ab.
Mechthild hatte ihren Mozzarellasalat im Garten des Bürgerhauses Weserterrassen aufgegessen und streichelte Behrmanns auf dem Tisch liegende Hand.
„Habt ihr eigentlich schon erste Ergebnisse aus den DNA-Untersuchun-gen?“
Fritz Behrmann zog seine Hand weg und streckte sich. Sie waren also wieder beim Dienst angekommen. Die schöne Pause war zu Ende.
„Es sind ne ganze Menge. Aber heute Abend haben wir die ersten Minisatelliten vorliegen. Dann rechnen wir sie noch in die Zahlencodes um, und dann wollen wir mal sehen. Ich bleibe heute länger mit einem Kollegen im Büro, und wir versuchen den Rest dann auch noch zu schaffen. Morgen weißt du dann mehr, mein Schatz.“
„Wenn es so viele sind, dann schalte doch noch ein privates Institut ein. Dann geht’s vielleicht schneller“, schlug Mechthild vor, und leider wurde ihr zu spät klar, dass ihr Liebster für solche Ratschläge überhaupt nicht zugänglich war.
Fritz Behrmann verzog seinen Mund zu einer beleidigten Schnute. „Liebe Mechthild, du glaubst doch nicht, dass ich diese Diskussion jetzt auch noch mit dir führe? Wenn du dich erinnerst, habe ich mit von Sülzen zwei Jahre lang versucht, die Politik zu überzeugen, dass es billiger ist, selbst eine Untersuchungseinheit aufzubauen, als immer nur Fremde zu bezahlen. Da werde ich doch jetzt nichts nach außen vergeben und mich lächerlich machen!“
Mechthild winkte lachend ab. „Ist schon gut, Fritz. Daran hatte ich einen Moment nicht gedacht. Mach es so, wie du es für richtig hältst. War ne blöde Idee von mir.“
Behrmann ließ die Rechnung kommen, und die beiden machten sich wieder auf den Weg zurück ins Präsidium.
Während Mechthild sich den Rest der Unterlagen aus Roders Ordner vornahm, kam Heller mit seinen Telephonaten jetzt doch besser voran. Er vermied weiterhin, die Menschen anzurufen, denen er nach vorliegenden Erkenntnissen unterstellte, der Polizei bei ihrer Arbeit nicht weiterzuhelfen. Und auch Harald Strehlow und Ayse Günher gelang es nach und nach, einen Überblick über die politischen Aktivitäten Christian Dunkers zu erhalten. Bei der emsigen Arbeit der Ermittler verstrich die Zeit sehr schnell, und so verspäteten sich bis auf die Leiterin der Mordkommission alle zum vereinbarten Gedankenaustausch. Behrmann erschien zu Mechthilds Bedauern nicht. Aber er hatte sich vorab telephonisch entschuldigt. Er wollte seine Untersuchungen voranbringen und keine Unterbrechungen. Ayse Günher, Heller und Strehlow zeichneten aufgrund ihrer Erkenntnisse ein Bild von Dunker, das eher auf einen Mann des kritischen Wortes als auf einen der Tat hindeutete. Die den Ermittlern zugänglichen Schriften waren zwar äußerst kritisch gehalten, aber enthielten keine Aufrufe zu Gewalt oder dergleichen. Die Personen, mit denen Heller ins Gespräch kam, schilderten ihn als rastlosen, unermüdlichen Verfechter der Idee einer besseren Welt.
„Und gibt es Verbindungen zu Neonazis?“ Mechthild konnte nicht glauben, dass die rechte Szene ein Exempel statuiert haben sollte, ohne dass es hierzu einen entsprechenden Vorlauf gegeben hatte.
„Das kann man wohl sagen“, nahm Harald Strehlow die Frage auf. „Er hat sich eindeutig öffentlich gegen aufkommenden Rechtsradikalismus ausgesprochen. Er hat nicht nur diverse Aufrufe zu Demonstrationen mitunterzeichnet, sondern auch selbst an Mahnwachen vor Häusern, in denen NPD-Funktionäre wohnen, teilgenommen. Die wurden zwar regelmäßig durch die Polizei beendet, aber es wurden Strafanzeigen gestellt, so dass sein Name den Rechten bekannt gewesen sein dürfte. Und seine Adresse stand im Telephonbuch.“
„Die Neonazis hatten sogar schon einmal eine Strafaktion gegen Dunker verabredet“, ergänzte Ayse Günher. „Aber die konnte durch die Polizei vereitelt werden, da der Verfassungsschutz einige der Telephone abgehört hatte, über die die Nazis sich besprochen hatten.“
Mechthild lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte ihre Arme. Dass sie damit eine Haltung ihres ungeliebten, ehemaligen Stellvertreters Roder kopierte, wurde ihr nicht bewusst.
„Dann müssen wir wohl davon ausgehen, dass Herr Roder mit seinen Hinweisen ziemlich richtig lag. Also
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