Wille zur Macht
kriminalistische Anfänger kommt hier doch zwangsläufig zum dem Schluss, dass es sich um einen Auftragsmord handeln könnte. Und ich nehme an, dass Sie noch nicht vergessen haben, dass ein Anstifter wie der Täter bestraft wird.“ Mechthild wusste, dass sie gegenüber ihrem PP die Nerven verloren hatte. So durfte man selbst unter vier Ohren nicht mit ihm sprechen. Sie wusste, dass sie sich für ihren Tonfall besser entschuldigen sollte.
Aber Ernst Logemann kam ihr zuvor. „So habe ich das nicht gemeint. Es war nur eine Nachfrage. Ich will Ihnen nicht in Ihre Ermittlungen hineinreden. Das müssen Sie mir glauben. Ich dachte nur, dass es in der Öffentlichkeit gut aussehen würde, wenn wir berichten können, dass der Mörder gefasst sei. Verstehen Sie?“ Mechthild verstand. Dem PP ging es wie so oft um eine positive Darstellung der Polizei in der Presse. Vielleicht.
Mechthild wartete einen Augenblick, bis sie sich beruhigt hatte. „Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich so aufgeregt habe. Ich wollte Sie gar nicht angreifen. Natürlich geben wir den Tod Bruninieks in der Presse bekannt. Aber die Journalisten sind doch auch nicht dumm. Die fragen doch sofort nach weiteren Zusammenhängen. Und von Roders Nazitheorie haben wir doch überhaupt noch nichts an die Öffentlichkeit dringen lassen. Meinen Sie denn, dass wir dazu jetzt etwas verlauten lassen sollten?“
„Das geht auch nicht. Roder und die anderen wollen nicht, dass davon etwas nach außen dringt. Da sollen Sie schon mehr im Verborgenen ermitteln. Wenn es ein Mord der Neonazis war, dann wollen wir den Fall nur mit dem Täter präsentieren.“
Mechthild hatte verstanden. Roder und die anderen. Wer immer das auch war. „Ich bleibe da dran. Wir werden unseren Neonazi schon kriegen.“ Dann legte sie auf.
Am frühen Abend kam Harald Strehlow aufgeregt in Mechthilds Büro. Nach all den Ereignissen des Tages hatte sie fast vergessen, dass sie ihn mit einem Spezialauftrag versorgt hatte.
Mit feuchten Händen, die er sich während des Sprechens immer wieder rieb, erzählte Harald Strehlow von seinen Beobachtungen. „Ich hatte mich abseits mit meinem Auto aufgestellt und das Wohnmobil im Auge behalten. Als es losfuhr, bin ich ihm gefolgt. Der Mann ist zu einem piekfeinen Restaurant nach Rotenburg gefahren. Und jetzt halten Sie sich fest: Dort hat er sich mit Herrn Roder und Herrn Brunken, dem Bremer Wirtschaftssenator der konservativen Partei, getroffen.“
Mechthild wurde hellhörig. „Und was dann?“
„Mit am Tisch war auch der Typ von dieser neuen Partei ‚Bremen nach vornʻ. Sie haben zusammen gegessen, und dann ist Roder als Erster wieder abgehauen. Er hatte es sehr eilig. Ich bin dann weiter dem Typen mit dem Wohnmobil gefolgt. Er ist zurück nach Bremen in die Innenstadt gefahren und hat den Wagen auf der Bürgerweide abgestellt. Dann ist er zu Fuß weggegangen und in einem Haus verschwunden.“
„Ja, und weiter? Haben Sie schon die Meldedaten des Hauses gezogen?“
„Das wird nichts bringen“, antwortete er. „Es war das Haus des Bremer Verfassungsschutzes.“
Sprachlos rutschte Mechthild in ihrem Sessel nach vorne. Das musste sie erst einmal verdauen. Der Bremer Verfassungsschutz beobachtete sie? Reflexartig ließ sie ihre Vergangenheit vor ihrem inneren Auge durchrattern. Aber das war Quatsch. Sie brauchte in ihrer Vergangenheit nicht zu suchen. Da war nichts. Immerhin war sie gleich bei ihrer Einstellung vom Verfassungsschutz überprüft worden. Und später, als sie in den höheren Dienst kam, wurde sie noch einmal gründlich durchleuchtet. Nein, alles musste mit diesem Fall zusammenhängen. Aber wie?
Noch am gleichen Abend besprachen sich die Ermittler der Mordkommission mit ihrer Chefin. Mechthild legte offen alles dar. Die anderen konnten es kaum glauben, aber die Hinweise sprachen ihre eigene Sprache.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass unser Verdächtiger aus Lettland einfach so nach Bremen fliegt und einen anderen ermordet“, schimpfte Peer Souton. „Es muss eine Verbindung zu Dunker geben. Aber welche?“ Dann ergänzte er, dass es ihm gelungen sei, die Freundin oder Ex-Freundin, das wusste er nicht so genau, von Christian Dunker ausfindig zu machen. „Sigrid Janssen. Journalistin und Photographin. Aber keine Chance: Sie hat einfach wieder aufgelegt. Sie war mal wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt, aber mangels Beweisen freigesprochen worden. Sie will mit uns nichts zu tun haben, hat wohl
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