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Wille zur Macht

Wille zur Macht

Titel: Wille zur Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schlosser
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unbedingt auf Zustimmung stoßen würde. Sie musste eine Möglichkeit finden, tiefer in das Umfeld von Christian Dunker einzudringen. Auch wenn Bruninieks mit großer Wahrscheinlichkeit sein Mörder war, reichte ihr das noch lange nicht. Wozu dann dieser ganze Aufwand von Roder, dem Verfassungsschutz oder dieses merkwürdige Treffen in Rotenburg?
    Als Mechthild Kayser ihr Haus in der Humboldtstraße erreichte, stand das Wohnmobil mit dem Verfassungsschützer schon wieder auf dem Parkstreifen gegenüber ihrem Wohnzimmerfenster. Für das, was sie jetzt vorhatte, konnte sie ihren Beobachter nicht gebrauchen. Sie ging über ihre Terrasse in den Garten und spähte über den Zaun zu ihren Nachbarn hinüber. Auf der einen Seite rührte sich nichts, aber hinter dem Haus auf der anderen saß der alte Herr Schmidt im Schatten einer kleinen Markise. Freundlich winkte sie zu ihm herüber. Der alleinlebende Schmidt erhob sich und schritt auf sie zu in der Erwartung, ein kleines Gespräch unter Nachbarn führen zu können. Mit anderen Menschen zu plauschen hatte er nicht mehr so oft Gelegenheit. Seine geliebte Frau war vor ihm an Krebs gestorben, die Kinder waren in alle Welt verstreut, und seine wenigen Freunde gingen wie er auch nicht mehr so gern aus dem Haus.
    „Frau Kayser! Schön, Sie mal wiederzusehen“, begrüßte er Mechthild freundlich.
    „Ich habe eine Bitte, Herr Schmidt. Mein Telephon funktioniert nicht. Und ich muss dringend zwei Telephonate führen. Darf ich mal bei Ihnen?“
    Und ob sie durfte. Herr Schmidt freute sich, einer, im Verhältnis zu ihm erheblich jüngeren Dame über den Zaun helfen zu können und lud sie ein, ins Haus voranzugehen. Dabei verkniff er sich nicht, Mechthilds Po eingehend zu studieren. Eine kleine Freude eben, die nichts Anrüchiges hatte und ihm vergönnt sein sollte.
    Im bieder eingerichteten Wohnzimmer überließ er Mechthild sein Telephon und zog sich, wie es sich für ihn gehörte, diskret zurück.
    Als Erstes rief Mechthild Kayser den Lokalredakteur der taz, Klaus Haschner, an. Die taz war eine der wenigen deutschen Tageszeitungen, die im Zuge der 68er-Bewegung gegründet wurden und bis heute ihre Unabhängigkeit dadurch wahren konnten, dass sie genossenschaftlich organisiert waren. Sie galt als linkspolitisches Blatt und schrieb sachlich-kritisch über die herrschenden Verhältnisse. Mechthild Kayser hatte sich schon einige Male eine taz gekauft, und ihr war wohltuend aufgefallen, dass in ihr über Dinge berichtet wurde, die man in anderen Zeitungen schon nicht mehr fand. Besonders die Artikel aus der Dritten Welt und aus Lateinamerika zeigten ihr, dass die Welt nicht nur aus Europa und den USA bestand, aber sehr wohl viele Missstände durch deren Dominanzgebahren verursacht wurden. Natürlich wurde auch gerade ihr Berufsstand häufig aufs journalistische Korn genommen. Nicht immer zu recht, wie Mechthild fand. Aber eine kontroverse Diskussion zu führen, war ihr immer noch lieber als einen von Mächtigen gesteuerten Einheitsbrei präsentiert zu bekommen.
    Sie hatte sich überlegt, dass es zum einen über den Kontakt mit Haschner einen Weg geben könnte, im Umfeld von Christian Dunker zu recherchieren, ohne auf die Vorbehalte zu treffen, die ihr und ihren Ermittlern entgegengebracht wurden. Zum anderen war sie mittlerweile der Meinung, dass sie zu ihrer eigenen Sicherheit einen neutralen Mitwisser brauchte.
    Klaus Haschner war ziemlich erstaunt, als er Mechthild am Apparat hatte. Und als sie ihm erklärte, dass es sich um ein halbdienstliches Gespräch handeln würde, weckte das seine Neugier. Sie verabredeten sich eine Stunde später im Horner Eck, einer Kneipe, die nur ein paar hundert Meter von ihrem Zuhause entfernt in einer Nebenstraße lag. Jetzt musste sie nur noch ihren Beschatter loswerden. Mechthild wählte die Nummer des Polizeireviers im Steintor.
    „Guten Tag, hier ist Frau Schmidt aus der Humboldtstraße. Vor meinem Haus steht ein Wohnmobil. Ich glaube, zwei Junkies versuchen gerade, es aufzubrechen.“
    Der Wachhabende bedankte sich für den Hinweis und rief umgehend die Besatzung einer seiner im Revier herumstreifenden Wagen.
    Mechthild ging zurück in den Garten von Herrn Schmidt, wo dieser schon wieder unter seiner Markise saß. Als er Anstalten machte, Mechthild noch zum Verweilen zu bewegen, wiegelte sie schnell ab. „Ich bin leider sehr in Eile, Herr Schmidt. Ein anderes Mal vielleicht!“ Dann stieg sie behände über den Zaun und eilte in ihr Haus

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