Wille zur Macht
ganz schön schlechte Erfahrungen gemacht.“
Mechthild Kayser stützte ihre Stirn in eine Hand. Sie war müde, ausgebrannt. Sie hatte keine Ideen mehr.
„Wir brechen für heute ab. Ich weiß nicht, wie wir weitermachen sollen. Bitte überlegen Sie sich bis morgen früh, wie wir vorgehen können. Und halten Sie Stillschweigen über das, was wir heute besprochen haben!“
Etwas schwerfällig stützte sie sich beim Aufstehen vom Tisch ab. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ sie den Raum und holte ihre Sachen aus ihrem Büro. Sie wollte nach Hause. Sich hinlegen, entspannen.
Hauptgesprächsthema des nächsten Tages war aber nicht mehr der Mordanschlag auf Ayse Günher. Alles wurde überschattet von der Meldung einer Boulevardzeitung, dass der den mitregierenden Sozialisten angehörende Innensenator Arendt Herzog möglicherweise Kontakte zur russischen Mafia unterhielt. Die Zeitung zeigte ein Bild von ihm während eines offiziellen Arbeitsessens im Restaurant „Moskau“. Mit ihm am Tisch, neben einigen anderen, der russische Besitzer des Restaurants Wladimir Steiner, gegen den das Bundeskriminalamt angeblich ermittelte, wie aus dem dazugehörigen Artikel hervorging. Als Quelle für das Bild wurde das BKA angegeben, das im Artikel aber heftig dementierte, es herausgegeben zu haben. Dass sie es aufgenommen hatten, wurde aber nicht zurückgewiesen. Aber eben auch nicht bestätigt.
Allen war klar, dass diese Veröffentlichung im Wahlkampf zu einer Destabilisierung der sozialistischen Partei führen würde und sicher den Ausgang der Wahl beeinflussen konnte. Am Mittag dieses Tages gab der Innensenator auf einer Pressekonferenz bekannt, dass er von seinem Amt zurücktreten würde. Mechthild hörte die Nachricht aus dem Radio in ihrem Büro. Selbstverständlich stritt Senator Herzog vehement ab, auch nur irgendeine Art krimineller Kontakte zu unterhalten. Aber er wollte seine Partei im Wahlkampf vor weiterem Schaden bewahren.
Mechthild Kayser war im Grunde genommen nicht besonders interessiert an dem Geplänkel der Politiker während des Wahlkampfs. Aber in diesem Fall war ihr Interesse geweckt worden, war der Innensenator doch ausgerechnet in dem Restaurant abgelichtet worden, auf das sie der Schöne Hans aufmerksam gemacht hatte. Konnte das ein Zufall sein?
Als Leiterin eines Kommissariats hatte sie eine Telephonnummer zur direkten Verbindung mit ihrem Innensenator. Sofort rief sie an.
„Ich bin nicht mehr Ihr Senator“, stellte Arendt Herzog sofort fest. „Aber wenn ich Ihnen in einer Angelegenheit helfen kann, so will ich das als Bürger gerne tun.“ Herzog war gefasst und freundlich wie immer. Mechthild erläuterte ihm ihre Ermittlungen, die Senator Herzog nicht unbekannt waren, und wollte von ihm wissen, weshalb er gerade dieses Lokal ausgesucht hatte. Arendt Herzog erklärte, dass es um die Besprechung einer Benefizveranstaltung von Deutschrussen zugunsten des Täter-Opfer-Aus-gleichs gegangen war und die Organisation dieses Treffens bei einem Referenten aus dem Rathaus lag. Der hatte auch die Kontakte zu den Deutschrussen hergestellt und das Restaurant ausgesucht. Er als Innensenator hatte sich nichts dabei gedacht. „Und das ist ja auch schon über zwei Wochen her. Dass das Bild jetzt in die Presse lanciert wird, ist doch pure Absicht“, schimpfte er und erzählte weiter, dass er gar nicht gewusst hatte, dass das Restaurant vom BKA ausgespäht wurde. Und auch sein Kollege aus der konservativen Partei, der Wirtschaftssenator Brunken, wollte erst mitkommen, hatte dann aber einen anderen Termin wahrzunehmen. „Der hätte dann da genau so gesessen wie ich! Hat einfach Glück gehabt.“
Mechthild ließ sich den Namen des Referenten aus dem Rathaus geben. Er hieß Abdul Beran, ein Deutscher mit albanischer Herkunft, der wie der Innensenator Mitglied der sozialistischen Partei war. Mechthild bedankte sich bei ihrem ehemaligen Senator und gab zu verstehen, dass sie seinen Rücktritt wirklich bedauerte.
Sie dachte darüber nach, was das alles zu bedeuten hatte. Als Ayse in ihr Büro trat, kam ihr eine Idee. „Ayse, besorg dir doch mal das Bild aus der Zeitung, wo der Herzog drauf ist!“
Für Ayse kein Problem. Sie hatte sich gleich nach Bekanntwerden dieser Meldung die Zeitung gekauft.
Als Mechthild das Photo näher betrachtete, bat sie ihre Freundin, es zu scannen und zu vergrößern. Neben dem ehemaligen Innensenator konnten sie Wladimir Steiner und Abdul Beran aus dem Rathaus identifizieren.
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