Wille zur Macht
sie ließ die fünf Bilder an die Wand werfen.
„Hör zu, Fritz. Ihr habt doch damit angefangen, von Verdächtigen biometrische Daten zu erfassen. Die Bilder sind zwar etwa zwanzig Jahre alt. Aber die Verhältnisse der Konturen haben sich nicht verändert. Kannst du nicht die biometrischen Daten des Gesichtes mit den vorhandenen Daten abgleichen?“
Fritz Behrmann warf den Kopf in den Nacken. „Damit haben wir gerade angefangen. Da gibt es erst ein paar tausend Datensätze für ganz Deutschland. Ich kann es gerne machen. Aber es ist viel Aufwand, und ich prophezeie dir, dass die Chance etwa bei null liegt.“
„Aber versuchen müssen wir es, Fritz. Wir müssen herausfinden, wer das auf den Photos ist. Das ist vielleicht der Knackpunkt!“
„Ja, ich tu’s ja“, stimmte Behrmann etwas unwillig zu. Er wusste, dass die Abnahme biometrischer Daten von Photos sehr aufwendig war, da sie nur zweidimensional waren.
„Ich habe auch noch eine andere Idee!“ Ayse war ein Gedanke gekommen. „Ich habe mal im Internet eine Antiraucherkampagne aus den USA gesehen. Dort haben sie Bilder von jugendlichen Rauchern an Schulen eingescannt und ihnen dann vorgeführt, welchen Alterungsprozessen sie durch das Qualmen ausgesetzt sind und wie sie dann ein paar Jahrzehnte später aussehen würden. Wenn man das Bild von dem Typen aus Nicaragua durch ein solches Programm laufen lassen würde, könnte man vielleicht herauskriegen, wie er heute etwa aussehen könnte.“
Mechthild war beeindruckt. „Haben wir nicht auch so etwas, Fritz?“
Behrmann fuhr sich durch die Haare und kratze sich im Nacken. „Ja, schon. Aber es ist nur eine Spielerei. Nichts Gerichtsfestes.“ Er stand auf. „Ich hole mal ein Gerät, mit dem ich die Dias in meinen PC einlesen kann. Und dann versuchen wir es mal.“ Kurze Zeit später hatte Fritz Behrmann einen kleinen Kasten mittels USB-Stecker an seinen PC angeschlossen. Er schob eines der Dias hinein und wartete einen Moment, bis sein Computer erkannt hatte, dass Daten übertragen wurden. Er schnitt mittels einer Maske das Gesicht des Colonels aus und speicherte es gesondert ab. Dann fuhr er das betreffende Programm hoch.
„Warum hast du nie erzählt, dass du so ein Programm hast?“ wollte Mechthild wissen. „Da würde ich auch ganz gerne mal dein Gesicht einlesen. Damit ich weiß, was auf mich zukommt!“
Ayse lachte. Und Behrmann brummte verärgert. „Es ist ne illegale Kopie. So was darf man gar nicht auf seinem Behördencomputer haben. Ich habe sie von Dr. von Sülzen. Und der hat sie auch mal irgendwo kopiert. Aber ihr schwärzt mich jetzt ja wohl nicht an, oder?“
„Das muss ich mir noch mal überlegen!“ meinte Mechthild scherzhaft. Und Ayse fügte hinzu, dass sie schon wüsste, wo sie gerne mal zum Essen eingeladen werden wollte.
Nachdem Behrmann das Bild ins Programm geladen hatte, wählte er einen Alterungsprozess von zwanzig Jahren, und das kleine Stundenglas auf dem Bildschirm zeigte an, dass das Programm arbeitete. Es dauerte fast zwei Minuten, bis ein gealtertes Konterfei des Colonel auf dem Bildschirm erschien. Aber keiner der drei konnte das Gesicht jemandem zuordnen, den sie kannten.
„Druck mir das Bild farbig aus“, verlangte Mechthild. „Und dann versucht ihr beide mal, damit zu arbeiten.“
Behrmann schaltete den Farblaserdrucker an, und wenig später steckte Mechthild das Bild ein. Während Ayse noch auf ihre Kopie wartete, mit der sie die Verbrecherdatei durchforsten sollte, machte sich Mechthild schon wieder auf den Weg in ihr Büro. Sie wollte wissen, ob sich Roder mittlerweile mit neuen Unterlagen gemeldet hatte. Je schneller er mit etwas rüberkam, desto mehr würde sie glauben müssen, dass es Fehlinformationen waren. Schon beim Eintreten sah sie, dass auf ihrem Bildschirm auf dem Schreibtisch das Symbol für eingegangene E-Mails blinkte. Roder hatte ihr auf die Schnelle Daten über geistige Führer der Neonazis zukommen lassen. Wenig, was ihr weiterhalf. Aber sie sandte sie sofort mit der Bitte um Einbeziehung in die Recherchen an Strehlow und Souton weiter.
Mechthild ließ den Kopf sinken und schloss die Augen. Sie war müde. Die letzte Nacht mit Fritz Behrmann war nur von kurzem Schlaf gekennzeichnet gewesen. Und im Gegensatz zu ihm kam sie mit zu wenig Schlaf nicht zurecht. Sie war erschöpft. Ich geh nach Hause, sagte sie sich. Da räume ich mal endlich die Küche auf, und dann gehe ich ins Bett. Sie brauchte noch einen Moment, bis sie sich aufraffen
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