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Wille zur Macht

Wille zur Macht

Titel: Wille zur Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schlosser
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konnte, das Büro zu verlassen. Aber dann riss sie sich zusammen und holte ihren Mantel von der Garderobe. Gerade als sie die Tür öffnen wollte, schrillte ihr Telephon. Das Vorzimmer des Polizeipräsidenten. Auch das noch: Der PP wollte sie sofort sprechen. Mechthild zog ihren Mantel wieder aus und warf ihn über ihren Stuhl. Dann stieg sie die Stufen zum Büro des PP hinauf.
    Im Büro von Ernst Logemann standen alle Fenster offen. Die frische Luft im Raum machte auch Mechthild wieder ein bisschen lebendiger. Noch während er ihr mit einer Geste einen Platz vor seinem Schreibtisch anbot, begann Logemann. „Ich habe in den internen Hausmitteilungen gelesen, dass vor Ihrem Haus in der Humboldtstraße ein Mann des Verfassungsschutzes eine Observation durchgeführt hatte. Durch eine Kontrolle der Schutzpolizei ist er aber in seiner Arbeit gestört worden. Können Sie mir sagen, was der vor Ihrer Haustür wollte?“
    „Vor meiner?“ Mechthild tat erstaunt. „Ich habe keine Ahnung. Wann war das denn?“
    „Na, gestern!“
    Mechthild spielte weiter die Unwissende. „Und weiß man, welchen Auftrag er hatte?“
    Logemann verzog sein Gesicht. „Das sagen die einem doch nie, Frau Kayser. Ich bin nur der Ansicht, dass Sie das wissen sollten.“
    Mechthild überlegte. Was sollte dieses Gespräch? Wo stand in dieser ganzen verwirrenden Angelegenheit ihr eigener Polizeipräsident? Logemann sah Mechthilds Nachdenklichkeit. Er lehnte sich in seinem Sessel nach vorne und sprach leise weiter. „Ich meine nur, dass Sie doch davon erfahren müssen, Frau Kayser. Vielleicht gibt es in Ihrer Nachbarschaft eine rote Zelle oder so etwas. Sie wohnen da ja in einer Gegend, die für ihre Haltung gegenüber dem Staat bekannt ist. Also passen Sie ein bisschen auf. Ich möchte nicht, dass Ihnen auch noch so etwas passiert wie Frau Günher.“
    Mechthild war erleichtert. Daher wehte der Wind. Der PP hatte gar keine Ahnung, was wirklich abging. Das war auch gut so. Er machte sich also nur Sorgen um sie.
    „Ich danke Ihnen für diesen Hinweis, Herr Logemann. Ohne Sie hätte ich davon sicher gar nichts erfahren. Nochmals danke. Ich halte meine Augen offen. Da können Sie sicher sein.“
    Logemann lehnte sich wieder bequem zurück. „Genau das meine ich. Halten Sie Augen und Ohren offen. Der Staat kann heutzutage an allen Ecken und Kanten angegriffen werden. Und noch etwas: Ich habe Ihnen natürlich nichts gesagt, klar?“
    Mechthild nickte verschwörerisch. Dass die Meldung über den enttarnten Verfassungsschützer als Hausmitteilung allen Mitarbeitern der Kripo zugänglich war, schien Logemann gar nicht erfasst zu haben. Er schien seinen eigenen Apparat nicht mehr gut genug zu kennen. Aber das war jetzt unwichtig. Mechthild schüttelte ihrem PP zum Abschied die Hand, und dieser hatte das Gefühl, wieder etwas für seine Leiterin der Mordkommission getan zu haben.
    Jetzt war aber Schluss mit Büro. Mechthild holte sich schnell ihren Mantel und eilte in den Innenhof des Polizeipräsidiums. Sie schwang sich auf ihr Fahrrad, und dann ging es ab nach Hause. Die Küche wartete, und die bevorstehende, eintönige Aufräumarbeit war genau die richtige Ablenkung für sie.
    Es war wirklich an der Zeit, mal wieder gründlich zu putzen. Mechthild hatte die vergangenen Tage nur immer schnell irgendetwas zu essen bereitet, dann alles stehen und liegen lassen und sich um ihre Ermittlungen gekümmert. Aber sauberes Geschirr und Besteck gingen zur Neige, und so war es genau die richtige Entscheidung gewesen, endlich wieder für Ordnung zu sorgen.
    Nach getaner Arbeit ließ sie sich zufrieden mit einem Glas Rotwein auf ihrer Couch nieder. Auf dem Tisch vor ihr lag das Photo des künstlich gealterten Colonel. Aber für die Arbeit konnte sie sich nicht mehr interessieren. Sie war abgespannt und schaltete den Fernseher ein. Im Regionalfernsehen lief ein Zusammenschnitt früherer Beat-Club-Sendungen. Dave Dee war zu sehen, wie er eine Sendung moderierte. Alles noch in Schwarzweiß, und die auftretenden Musiker trugen zum Teil noch Sakkos und Krawatte. Als Arthur Conleys „Sweet Soul Music“ lief, fielen Mechthild die Augen zu, und sie wurde in einen träumerischen Halbschlaf entführt. Schöne Träume waren das. Sie mit ihrem Fritz an einem sonnenbeschienenen Strand vor einer märchenhaften Kulisse aus steilen Ufern, grünen Wiesen, blauem Himmel, und ein frisches Lüftchen wehte ihnen um die Nase. Ein behagliches Gefühl von Leichtigkeit und Wärme

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