Willi von Bellden (German Edition)
verstanden, sodass ein Dolmetscher hinzugerufen werden musste, der den ganzen Sachverhalt übersetzte. Schwerlich wirkte natürlich auch die Begebenheit, dass niemand so recht Auskunft darüber geben konnte, wohin Tonis Reise im Einzelnen hätte führen sollen. Aber das hatte Paula bereits vorausgesagt. Die deutsche wie auch die französische Polizei überzeugten Selma jedoch davon, dass sie die Angelegenheit sehr ernst nehmen würden. So bat Selma nur darum, ihren Aufenthalt in Buhlenberg auf unbestimmte Zeit verlängern zu dürfen, was Anny und Tanner sofort befürworteten. Wie schon erwähnt war Selma eine Frau, deren Präsenz eher von Wohlwollen geprägt war, zudem machte sie sich nützlich, wo sie nur konnte. Ich persönlich war der Meinung, dass Tanner nicht unglücklich über ihren längerfristigen Besuch war, da er seine Anny nicht gern ganz allein zurückließ.
Nach dem Abendessen begann er damit, sein Gepäck in den Kofferraum zu laden. In dem Augenblick, in dem ich mich gänzlich unbeobachtet fühlte, sprang ich in den Wagen und versteckte mich hinter den Sitzen. Schon vorher hatte ich mich von Oskar verabschiedet und ihm versprochen bald wiederzukommen. Er hatte volles Verständnis dafür, dass Väter sich nicht den ganzen Tag um die Familie kümmern konnten, sondern auch noch andere wichtige Dinge zu erledigen hatten. Seine Trauer über meine Abreise hielt sich in Grenzen, da er sich bestimmt darauf freute, jeden Tag ungezwungen mit Sammy spielen zu dürfen, ohne sich meine ständigen Ermahnungen anhören zu müssen. Zumindest interpretierte ich seine Gleichgültigkeit gegenüber meinem Abschied so. Anders ausgedrückt, hatte ich eher den Anschein, als ob er sich über mein Fortgehen freute. Aber ich könnte mich auch täuschen.
Wenn ich auch die ganzen Küsschen, die bei Tanners Abschied ausgetauscht wurden, nicht sehen konnte, so hörte ich sie umso mehr. Es war einfach widerlich. Ich war froh, als mein Herrchen endlich einstieg. So gut wie möglich versteckte ich mich hinter den Sitzen, was sich gar nicht so einfach gestaltete, da Mann auch schließlich ein paar Muskeln unterzubringen hatte.
»Du kannst ruhig rauskommen Willi, musst dich nicht verstecken. Ich hätte dich sowieso mitgenommen! Brauche doch schließlich einen Kumpel an meiner Seite«, sagte er, ohne nach hinten zu sehen.
Ich war verdutzt. Anscheinend waren wir uns im Wesen doch ähnlicher, als ich vermutet hatte.
Mit einem Satz sprang ich nach vorn auf den Beifahrersitz. Anny, Selma und die Kinder winkten uns hinterher, als wir aus der Einfahrt herausfuhren, doch ich starrte stur geradeaus, ohne ein einziges Mal zurückzublicken. Sollte die Dame des Hauses ruhig mal nachdenken über die ganzen Vernachlässigungen mir gegenüber, seit dieser Köter bei uns Einzug gehalten hatte.
Ich freute mich auf den Ausflug nach Burgund, eine Fahrt gen Süden hat immer etwas von Urlaub. Zumal mir die Strecke sehr vertraut war, denn jedes Jahr, wenn wir an die Ardèche in Urlaub fuhren, querten wir diesen Landstrich, und Tanner wurde nie müde, Land, Leute und vor allem die hiesigen Rotweine zu loben.
Ich machte es mir auf der Rückbank gemütlich und stellte mich auf entspannte Stunden ein, denn ich wusste, sobald wir die Grenze bei Saarbrücken passiert hatten und Richtung Metz fuhren, würde es meinem Herrn und Chauffeur ebenso ergehen, da war ich mir sicher.
Ich wusste von Tanner, dass es in Frankreich dringend angeraten ist, sich an die Geschwindigkeitsregeln zu halten, wenn man echten Ärger vermeiden will. Also würden wir, ohne die typisch deutsche Hektik auf den Autobahnen, durch Lothringen und die Champagne tuckern, im Radio würden französische Chansons laufen, und der Chef würde lauthals mitträllern.
Ein Idyll, das nur dann und wann von kurzen, aber heftigen Fluchstafetten unterbrochen wurde, die Tanner an den sporadisch auftauchenden Mautstationen zum Besten gab. Beutelschneider und Wegelagerer waren dabei noch die harmlosesten Beschimpfungen, die er immer dann bevorzugte, wenn die Kinder im Auto waren und Annys drohende Miene sein verbales Temperament zügelte.
Doch die Familie war heute nicht dabei, sodass sich Tanners Schimpfwörterrepertoire und Sangeskunst ungebremst entfalten konnte. Ich jedenfalls fand es urgemütlich und fiel irgendwann in einen tiefen Schlaf.
Als wir in Höhe von Langres waren, läutete Tanners Handy. Erst vor Kurzem hatte er sich, unter Annys hartnäckigem Drängen, eine Freisprechanlage zugelegt,
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