Willi von Bellden (German Edition)
Kehle hervorzuquetschen vermochte, und biss augenblicklich zu. Meine Zähne bohrten sich tief in ihre Fessel. Ich merkte, wie ihr das Blut aus der Wunde rann und mir über die Schnauze lief. Aber ich ließ nicht los, mein Herr und Gebieter musste schließlich gerettet werden! Plötzlich spürte ich einen mächtigen Schlag gegen meine rechte Körperhälfte und wie mich jemand an meinem Halsband zur Seite riss. Die vor Wut tobende Stimme meines Herrn und Meisters drang im Unterbewusstsein an mein Ohr, doch die Worte erreichten nicht mehr meine Großhirnrinde. Erst als ich Tanners überdimensionales Gesicht mit der plötzlich fremd wirkenden, riesigen Nase über mir erkannte, deren Flügel noch schlimmer bebten, wie ein Erdbeben vor Sumatra, kam ich langsam in die Realität zurück.
»Was ist nur in dich gefahren, du dummer Hund?«, schrie mir eine allzu bekannte Stimme entgegen. »Jetzt reicht es mir aber mit deinen verdammten Eskapaden, die du jeden Tag aufs Neue veranstaltest! Ab ins Auto mit dir! Dort bleibst du auch für den Rest deiner Tage!« Zornig wurde ich am Halsband gepackt und röchelnd mitgeschleift. Die Autotür wurde geöffnet, und ich landete im hohen Bogen auf dem Beifahrersitz. Tür zu – Knall – Stille.
Ich leckte meine seelischen Wunden und beobachtete durchs Fenster, wie Julies Bein verarztet wurde und wie sie unter ihrem Pullover eine versteckte Flasche Rotwein sowie eine lange getrocknete Wurst hervorholte und meinem Herrchen gab. Von der Wurst würde ich, solange Tanner am Leben blieb, niemals ein Stück abbekommen.
Dreißig Minuten später, nachdem die Anwesenden Julie wieder halbwegs hergerichtet hatten, bedankte sich Julie im Namen aller Anwesenden bei Tanner für den wunderbaren Artikel in der Archäologie Heute , wo er die hiesige Ausgrabung ausführlich schilderte und die Arbeit aller Beteiligten gebührend lobte. Als Dank überreichte sie ihm jetzt offiziell die Flasche mit dem Rotwein, also der potenziellen Waffe, mit der sie mein Herrchen meiner Meinung nach ins Jenseits befördern wollte, und die Wurst. So viel zum Thema Lebensretter, Held und treuer Kamerad auf vier Beinen, an der Seite eines Menschen.
Ich vergrub meinen Kopf zwischen meinen Pfoten und verdrängte mit all meiner Kraft jeglichen Gedanken an den kleinen blutigen Zwischenfall bis zu dem Zeitpunkt, als mein Gebieter ins Auto stieg, um ins Hotel zu fahren. Erfolgreich ignorierten wir uns die Fahrt über. Ohne mich nur einmal nach ihm umzudrehen oder gar das Gleichgewicht zu verlieren angesichts der vielen Schlaglöcher, durch die Tanner fuhr, starrte ich aus dem Fenster in die tiefe Nacht. Kaum waren wir angekommen, machte ich keine Anstalten auszusteigen, und Tanner unternahm nichts, um mich zum Mitgehen aufzufordern. So verbrachte ich eine sorgenvolle, kalte, gruselige Nacht im Wagen und wartete sehnlichst darauf, dass der neue Morgen hereinbrach.
Ohne mich eines Blickes zu würdigen, wurde ich gegen neun Uhr aus dem Auto gelassen und ein Stück des Feldweges entlang der Seine geführt. An der Leine. Danach musste ich zwei Stunden Fahrt nach Dijon ohne Futter durchhalten. Ich hatte mir vorgenommen, wenn mich mein Herrchen abermals im Wagen zurücklassen sollte, würde ich den Schaumstoff aus den Sitzpolstern reißen. Okay, ich hatte Mist gebaut, aber aus dem guten Willen heraus, das verflixte Leben dieses undankbaren und ungerechtesten aller Dreibeiner zu retten. Das hatte ich nun davon! Während mir all diese Gedanken durch den Kopf jagten, musste ich wohl leise vor mich hin geknurrt haben, denn Tanner schaute konsterniert zu mir herunter.
»Gut. Schließen wir Frieden, obwohl ich mir nicht im Geringsten erklären kann, welches Pferd dich getreten hat, eine solche Attacke gegen meine Kollegin zu starten! Gott sei Dank hat sie den Vorfall als nichtig abgetan und es auf einer Entschuldigung beruhen lassen! Es hätte genauso gut eine Anzeige geben können!« Tadelnd schaute er mich an. »Es wird auf jeden Fall Konsequenzen für dich haben!«
Oh Bello, nein! Tanners angedrohte Konsequenzen gingen immer absolut in die Richtung eines Contra-Hundewohlfühlempfindens! Vielleicht hätte ich in dieser Situation einen auf reumütig machen müssen, aber all meine angestaute Wut entlud sich in diesem Moment.
»Was denkst du denn, wer du bist?«, kläffte ich ihn zornig an. »Da will man nichts anderes sein als ein treuer Begleiter, verteidigt unter Einsatz seines Lebens seinen Leinenträger und wird dann in Schimpf und
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