Willi von Bellden (German Edition)
Schande gejagt! Das ist unfair!« Ich bellte mich so richtig in Rage.
»Ja, ist ja gut! Ich weiß, dass es dir leidtut. Das ist auch der Grund, warum ich dir vergebe«, sagte mein Herrchen sanftmütig.
»Idiot!«, kläffte ich und biss mir vor Wut in die Zunge.
Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Er steuerte das Auto, ich leckte meine Wunden.
In Dijon angekommen, parkten wir auf einem großen Platz in der Nähe der Polizeistation. Wir hatten noch über eine Stunde Zeit, deshalb nahm Tanner mich an die Leine, und wir gingen direkt zur Fußgängerzone. Dort kaufte er sich eine Schachtel Zigaretten in einem der Tabakläden, bevor wir – oh Bello, ich konnte es kaum fassen – ein Tiergeschäft betraten. Tanner schlenderte mit seinem augenleuchtenden, wunderschönen Jack Russell an seiner Seite durch die Regale, und als er nach einem wohlriechenden Knochen griff, war ich der Meinung, gleich ins Hundeparadies zu kommen. Vor der Kasse kratzte er das Preisschild ab und zeigte es kurz der Verkäuferin, mit der Andeutung, dass er vorhatte, mir das gute Stück hier und jetzt zu geben, was er auch tat. Mmmmh, noch heute schmecke ich diesen wunderbar süßen und fauligen Geschmack auf meiner Zunge. Ich kann nur sagen, ich genoss in diesem Moment jeden kleinen Bissen. Er war ganz weich, so ein getrockneter, zusammengepresster Fleischklumpen in länglicher Form. Langsam ließ ich das zarte Etwas auf meiner Zunge zergehen. Es schmeckte so gut, dass ich die Augen schloss, und als ich sie wieder öffnete, war Tanner gerade mit einem boshaften Grinsen dabei, mir einen Maulkorb um meine Schnauze zu legen. Danach bezahlte er feierlich und verließ, mich hinter sich herziehend, diesen blöden Sadomasoladen für Tiere. Jetzt wusste ich um die angedrohten Konsequenzen, die mein Herr und Gebieter sich mal wieder ausgedacht hatte. Aber ich würde mich nicht damit abfinden, nur so lange warten, bis die geeignete Chance kam. Ich schämte mich zutiefst, mit so einem Ding herumlaufen zu müssen. Bello sei Dank begegneten wir auf der Straße nur einem hässlichen Streuner, der mir schadenfrohe Blicke zuwarf und mir irgendetwas auf Französisch zurief, was ich aber nicht verstand. Ich war nicht traurig deswegen.
Von dem Sadomasogeschäft aus gingen wir wenige Meter an der Hauptstraße entlang, bevor wir die Polizeistation betraten, wo ein gewisser Commissaire Chavanaux uns bereits erwartete. Der Umstand, dass dieser gewisse Herr vorzüglich die deutsche Sprache beherrschte, könnte man wohl, in Anbetracht der Lage, dass unsere Sprache sogar mancherorts boykottiert wurde, als luxuriösen Zustand in Frankreich bezeichnen.
»Erzliech Willkommen Err Raubeer in unseereem wunderschöönen Dijon! Isch bedaueree seeehr, dass Sie sisch die Umschtande mache mussten, iiireer zu kommen, aber isch binn sischer, die schooone Schtadt iist ees wehrt!«, begrüßte er uns freundlich.
Ich musste mich sehr anstrengen in der nachfolgenden Stunde, um den Kommissar einigermaßen zu verstehen. Tanner besaß in dieser Beziehung anscheinend mehr Erfahrung und reagierte auf jede Frage schon mit einer Antwort, während ich noch dabei war, mir den Sinn zurechtzulegen. Immer wenn der Commissaire diese lustig klingenden deutschen Wörter von sich gab, musste ich unweigerlich an Lady Marmelades Song aus den Siebzigern denken: Voulez-vous coucher avec moi, ce soir ... Ich bekam diese schmeichelnde erotische Stimme überhaupt nicht mehr aus meinem Kopf, sosehr ich mich auch darum bemühte. Natürlich war dieser Umstand auch Tanners Schuld zuzusprechen, da er Anny dieses Lied eine Weile ständig vorgesungen hatte. Sie wird es wahrscheinlich heute noch zutiefst bedauern, auf ihn hereingefallen zu sein. Genau wie ich. Nur Bello sei Dank auf eine andere Art und Weise.
Der Kommissar äußerte sich mehrmals verwundert darüber, warum Norbert mein Herrchen als letzten Anrufer gesprochen hatte, wenigstens vom Festnetz aus. Auf dem Handy war eine andere Nummer die letzte auf einer langen Liste, nämlich die von Mathis Garbon, dem Winzer. Als Chavanaux dies zur Sprache brachte, konnte ich den verblüfften Ausdruck im Gesicht meines Herrchens erkennen. Vermutlich wunderte er sich, dass Mathis, als er ihn darum gebeten hatte, das geplante Treffen wegen der Fahrt nach Dijon zu verschieben, diesen Anruf mit keiner Silbe erwähnt hatte. Ja, ich musste Tanner in dieser Angelegenheit recht geben, das war eine Begebenheit, die einen stutzig werden ließ und eine gründliche
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