Willi von Bellden (German Edition)
Wachsjacke. Die Ränder waren mittlerweile dick verkrustet, sodass für mich persönlich ab diesem Zeitpunkt ein Ausschlussverfahren für alle anderen Substanzen galt. Schritt Nummer zwei zwang mich dazu, mich eng an Mannys Bein zu kuscheln, um die Chance zu erhalten mit meiner Nase so nah wie möglich an den Fleck zu geraten. Gesagt, getan, und wieder verfolgten mich die Blicke meines Herrn und Gebieters, dessen Gesichtsausdruck mir zu vermitteln versuchte, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank haben konnte. Ich machte das überwiegend an dem Kopfschütteln fest, mit dem er mich ungläubig bedachte. Doch ich erhielt meine Chance. Manny, verzückt darüber, dass ein Vierbeiner seine Liebe für ihn zum Ausdruck brachte, kraulte mich unablässig hinter den Ohren, schmiegte seinen Körper an meinen, und als ich verlangte, auf seinen Schoß genommen zu werden, tat er dies mit einer Freude, die man schon fast als euphorisch bezeichnen konnte. Sobald ich in seinen Armen lag, driftete meine Nase zu dem Blutfleck. Schließlich hatte ich nun alle Zeit der Welt, mein feines Organ zur Lösung dieser schwierigen Aufgabe einzusetzen. Schnüffelnd tastete ich mich Millimeter um Millimeter voran. Was ich roch, war auf keinen Fall der Geruch von irgendwelchen Tieren, sondern der von einem Menschen. Ich war mir absolut sicher. Wieder und wieder ließ ich mein empfindlichstes Körperteil darüber gleiten, aber meine Vermutung bestätigte sich. Es handelte sich zweifelsfrei um Menschenblut. Mir grauste es. War Manny ein Mörder?
Es wird mich jeder verstehen, dass ich alles daran setzte, mich sofort von diesen Mörderhänden zu befreien, denn wer wollte schon in potenzielle Gefahr geraten? Sobald ich von seinem Schoß heruntergesprungen war, versuchte Manny, mich wieder zu sich zu ziehen, wogegen ich mich mit all meiner Kraft wehrte. Knurrend riet ich ihm davon ab, mich weiterhin an meinem Halsband festzuhalten, und ich hätte ihm beinahe in den Finger gebissen, wenn nicht die schneidende Stimme meines Herrchens diese Situation entschärft hätte.
»Willi! Komm sofort hierher!«, rief er in einem Ton, der keinerlei Alternativen zuließ, wollte man nicht eine saftige Sanktion riskieren. Artig und froh, dem potenziellen brutalen Mörder entronnen zu sein, trollte ich mich im Laufschritt zu Tanners Füßen und ließ mich erleichtert neben ihm nieder. Vorwurfsvoll sah er mich an.
»Manchmal habe ich den Eindruck, du würdest nicht richtig ticken«, raunte er mir zu, sodass es niemand von den anderen mitbekam.
Ich schenkte ihm einen unterwürfigen Blick, der normalerweise dazu führte, dass man mich in Ruhe ließ. So auch dieses Mal.
Während weiter in der Runde getrunken und debattiert wurde, überlegte ich mir Schritt drei. Wie konnte ich mein Herrchen auf den Blutfleck aufmerksam machen, inklusive des dazugehörigen Besitzers der Jacke, sprich des Mörders? Kaum hatte ich mir selbst die letzte Frage gestellt, fiel mir ein weiteres Problem ein. Wen hatte Manny eigentlich umgebracht? Norbert? Hatte er es geschafft, sich unbemerkt von der Grabung und dieser Gruppe zu entfernen, um nach Dijon zu fahren und Norbert zu töten? Welches Motiv trieb ihn an? Oder hatte er sogar Toni umgebracht? War Toni überhaupt tot? Bis jetzt hatte ich nichts von einer weiteren Leiche mitbekommen. Ach, es war einfach zum Verrücktwerden. Am Schluss würden wir Toni am Strand von Südfrankreich in den Armen einer jungen blonden Schönheit finden. Ich hätte mich wahrscheinlich für den Rest meines Daseins lächerlich gemacht durch einen Fleck auf einer Jacke, der sich letztendlich als verschütteter Rotwein erweisen würde. Die Folge wäre die völlige Unglaubwürdigkeit meiner Hundeperson sowie die spöttischen Bemerkungen aller Artgenossen, die mich kennen. So wollte ich auf keinen Fall enden.
Ich seufzte, weil mir durchaus bewusst war, dass ich wahrscheinlich nur verlieren konnte. Es hieß nun, alles auf eine Karte setzen oder in die Hose pinkeln. Binnen drei Sekunden hatte ich mich für Ersteres entschieden und hing weiteren Überlegungen nach, wie ich das geballte Interesse von Tanner auf den Fleck richten könnte. Minute um Minute verstrich, ohne dass mir etwas einfiel. Langsam wurde ich hundemüde, dank der monotonen Erzählung von Friedrich Lemmer, der von einer Exkursion nach Israel erzählte. Erst als Tanner beinahe von der Bank gefallen wäre, vermutlich aus Langeweile, durchzuckte mich plötzlich ein Geistesblitz.
Ich hatte an diesem Tag,
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