Willi von Bellden - Wer anderen eine Grube gräbt ... (German Edition)
George unterwegs waren, ist er einfach abgehauen, wegen eines toten Rehs! Er hatte das Vieh wohl in der Nase, und dieser Stinker hatte nichts besseres zu tun, als dem Geruch hinterher zu jagen. Ich kann dir sagen, wir mussten ihn durch den halben Wald verfolgen! Ja, und genau deshalb habe ich fünf verdammte Stunden und 350 Euro investiert, um diesen Scheiß Zaun zu bauen! Nur deshalb liebe Frau!“
Tanner war bei den letzten Worten aufgestanden. Kein gutes Zeichen!
Er hatte offenbar die kurze Phase der Schwäche, als Anny ihn so überraschend wegen des Zauns angegangen war, überwunden.
Jetzt kam die Phase ‚Es stinkt mir gewaltig, wenn mir jemand in meinen Kram reinredet’. So ein Stimmungswandel vollzieht sich manchmal von einer Sekunde auf die nächste. Aus Erfahrung wusste ich, dass jetzt Umsicht von Nöten war, sollte der Nachmittag weiterhin harmonisch verlaufen.
Doch Anny meisterte die Situation ganz souverän.
Charmant lächelnd erwiderte sie: „Setz dich wieder hin, Alterchen, und mach keinen Aufstand! Wenn ich zurückkomme, baust du ihn einfach wieder ab! Und wenn nicht, kannst du dich solange an dem Anblick erfreuen, wie du willst. Komm schon ... setz dich!“ Dabei tätschelte sie die Sitzfläche von Tanners Stuhl.
Bravo! Anny tritt immer für die Geknechteten ein, auch für mich!
„Aber das Reh, ... das interessiert mich. Was war denn damit?“, fuhr sie fort.
Tanner schaute für einen Moment dumm aus der Wäsche und nahm wieder Platz. Wie ihm geheißen. Ich spürte, dass die Spannung raus war. Wir hatten gewonnen!
„Du, das war nichts spektakuläres. Höchstens etwas seltsam. Also, Willi verhielt sich wie ein Bekloppter. Er schien aber ganz genau zu wissen, wo er hinwollte. Wie auch immer. Als George und ich ihn schließlich im Dickicht gefunden hatten, lag er neben einem Rehkadaver. Ich habe keine Ahnung, an was dieses Tier eingegangen ist, aber sein Bauch war mit einem Messer oder ähnlichem aufgeschnitten worden. Außerdem wies es Bissspuren auf. Ich nehme stark an, sie stammen von einem großen Hund. Alles in allem keine schöne Sache. Wer kann schon wissen was sich dort abgespielt hat!? Das ist eigentlich alles ...“
„Das musst du musst der Polizei melden!“, sagte Anny aufgeregt. „Hast du nicht erwähnt, dass die Baggerlochleiche mit einem langen Messer getötet worden war? Und ein Hund soll sich ebenfalls daran zu schaffen gemacht haben, nicht wahr! Das haben wir doch auch bei dem Reh, ... Messer und Hund! ... Na, was sagst du? Könnte da nicht ein Zusammenhang bestehen?
Tanner sah sie mit hochgezogenen Brauen an.
„Ich sage gar nichts dazu. Messer haben viele Leute. Das gleiche gilt für Hunde. Ergo haben auch viele Hunde und Messer! Das gilt besonders für Menschen, die öfter im Wald zu tun haben, wie Jäger oder Förster. Also, ... wo ist das Problem?“
„Das Problem ist, dass gute Jagdhunde keine Tierleichen anfressen!“, erwiderte Anny, jetzt auch merklich gereizt. „Und ein weiteres Problem ist, dass wir in Buhlenberg eine Leiche haben, und eventuell in Rinzenberg einen Mörder mit Messer und Hund!“ Anny konnte den überheblichen Ton, den Tanner bisweilen pflegte, auf den Tod nicht ausstehen.
Er zuckte nur geringschätzig mit den Schultern.
Es war zum Haare raufen, schoss es mir durch den Kopf. Wenn Tanner nur wüsste, wie recht Anny hatte!
Hin und wieder war unser großer Denker wie vernagelt. Offenbar hatte Basko recht gehabt, als der einmal behauptete, dass der Grat zwischen einem Meisterkopf und einem Geistesakrobaten sehr schmal sein kann.
„Aber vielleicht besteht ja doch ein Zusammenhang! Eine Untersuchung durch die Polizei würde doch Klarheit schaffen!“, meinte Anny eindringlich und gestikulierte wild mit den Händen.
„Ach hör’ doch auf!“, antwortete mein Boss und machte eine dementsprechende Handbewegung. Wer sagt denn, dass der Hund und der Mensch mit dem Messer zur gleichen Zeit an diesem Ort waren? Das ist doch an den Haaren herbeigezogen, meinst du nicht?“
Annys Miene entspannte sich wieder. Aber wohl kaum, weil Tanners Argument gezogen hatte, sondern weil sie nur zu genau wusste, wie stur er war.
„Und äh, ... wo habt ihr das arme Tier gefunden?“, fragte sie nonchalant.
Er erklärte es ihr mit knappen Worten, und sie nickte wissend.
Ich schaute ihr dabei ins Gesicht. Da war etwas ... !
Sie hatte doch hoffentlich nicht vor, auf eigene Faust zu handeln.
In diesem Augenblick hörte ich einen Schrei! Markerschüttert, an
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