Willi von Bellden - Wer anderen eine Grube gräbt ... (German Edition)
zwei Stunden hörte ich, dass er wieder kam. Ich wunderte ich mich zunächst, warum Tanners ärgerliches Gesicht nicht sofort in der Tür erschien. Was trieb er da draußen?
Es sollten noch 20 Minuten vergehen, bis er endlich schwitzend hereinkam.
Scheinbar wieder bester Laune begrüßte er mich mit: „Hi Willi, was macht das Ohr?“, um sich in affenartiger Geschwindigkeit die Arbeitsklamotten überzustreifen.
Mit den Worten, „Nun komm schon Dicker!“ stürmte er in den Garten. Ich folgte ihm, etwas träge, wegen der Schmerzen, aber mit einer unheilvollen Vorahnung.
Was für ein erschütternder Anblick!!!
Es war das Schrecklichste was einem freiheitsliebenden Wesen wie mir passieren konnte. Tanner hatte doch tatsächlich mit dem Bau eines Zaunes begonnen! Er war riesig hoch. Praktisch unüberwindbar.
Und eben, als ich im Flur noch auf sein Erscheinen gewartet hatte, hatte er hintenrum das Material in den Garten geschleppt. So eine hinterlistige Person!
Als er mich sah, rief er mir zu: „Du bist selber schuld, mein Lieber!“
Ich hatte nicht die Kraft dagegen aufzubegehren, zumal ich wusste, dass er damit recht hatte.
Traurig schaute ich ihm bei der Arbeit zu, die nur von einigen Zigarettenpausen und einem Kurzbesuch von Basko unterbrochen wurde. Der kratzte aber schnell wieder die Kurve, als er merkte was hier los war.
Nach drei Stunden war das Werk vollendet, und Tanner blickte zufrieden drein.
Noch einmal schaute ich mich in meinem neuen Gefängnis um.
Der Zaun sah zweifellos Scheiße aus! Tanner war nie ein besonders talentierter Handwerker gewesen, und wenn man ihn darauf ansprach, gab er offen zu, dass ihm diese bescheuerte Heimwerkerei ein Grauen war.
Dessen ungeachtet, wenn er etwas baute, dann war es vielleicht nicht schön anzusehen, aber es war grundsolide. Und ich brauchte mir keine Hoffnungen zu machen, dass irgendwo ein Schlupfloch geblieben wäre.
Das hatte ich nun davon, dachte ich betrübt. Ich hätte es wissen müssen. Es gibt Dinge, die Tanner einfach nicht anstehen ließ, und das war eines davon.
An jenem Abend beschloss ich besonders früh zu Bett zu gehen, damit dieser Unglückstag ein möglichst schnelles Ende fand.
Tanner hörte ich noch die halbe Nacht am PC werkeln. Ich hatte es ja schon heute morgen geahnt, dass er voller Tatendrang war.
Es war früher Nachmittag als er mal wieder an seinen weltbewegenden Archäologie-Ausgrabungs-Vergangenheits-Tüffteleien saß.
Als es an der Tür klingelte, preschte ich in den Hausflur, um mein einschüchterndes Alarmgebell anzustimmen.
Doch als ich den mir so vertrauten Duft wahrnahm, wandelte sich meine aufgebrachte Stimme in ein freudiges Winseln.
Anny! Die Kinder! Sie waren endlich da!
Ich wollte meine Freude nicht verbergen und wusste gar nicht, an wem ich als erstes hochspringen sollte. Also fing ich mit der Kleinsten an, sie befand sich am ehesten auf meiner Augenhöhe.
Schmatzend fuhr ich ihr mit meiner Zunge über beide Wangen, was mir wie immer mit einem Patscher auf den Kopf gedankt wurde. Mimi strahlte trotzdem über beide Bäckchen. Sie wartete nur darauf, dass sie mir nochmals eine verbrezeln konnte.
Ich verschob das Spielchen auf ein andermal, da ich vermeiden wollte, dass das kleine blonde Teufelchen mein verletztes Ohr erwischte. Denn es schmerzte immer noch höllisch.
Schwänzelnd wandte ich mich stattdessen Tiara und Louisa zu. Die beiden herzten mich überschwänglich, und strichen mir liebevoll über den Rücken.
Tanner nahm mir die Begrüßung mit Anny schon ab, denn er nahm sie lange und fest in den Arm. Doch sie vergaß auch mich nicht, sondern ging sofort danach in die Hocke, um mir Hallo zu sagen. In diesem Moment, als sie mir gerade die Ohren kraulen wollte, zog sie erschrocken ihre Hand zurück, weil ich laut zu miefen begonnen hatte.
„Was ist denn mit Willi los?“ fragte sie besorgt.
„Der Gute hatte gestern eine Keilerei mit einem Artgenossen. Dieser war ungefähr viermal so groß wie er selbst. Und das ist nun mal das Ergebnis!“ erwiderte mein Herrchen. Leicht spöttisch, wie mir auffiel. Aber irgendwo glaubte ich auch etwas Stolz heraus hören zu können.
„Och, ... der Arme!“ bedauerte mich Anny, und gab mir einen Kuss auf den Kopf.
Die ganze Horde fiel in das ohnehin chaotische Wohnzimmer ein, während Tanner in der Küche verschwand. Bald darauf erfüllte wunderbarer Kaffeeduft den Raum. Anny schnitt den Kuchen, den sie mitgebracht hatte, und deckte den Tisch mit dem
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